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Poème

Werktitel
Poème
Untertitel
Für großes Orchester
Komponist:in
Entstehungsjahr
2005
Dauer
~ 17m
Genre(s)
Neue Musik
Gattung(en)
Orchestermusik
Besetzung
Orchester
Besetzungsdetails

Orchestercode: 4/4/4/4 - 6/4/3, BPos/1 - 2 Pk, 4 Perc - 18/16/11/11/9
Flöte (4), Oboe (4), Klarinette (4), Fagott (4), Horn (6), Trompete (4), Posaune (3), Bassposaune (1), Tuba (1), Pauke (2), Perkussion (4), Violine (34), Viola (11), Violoncello (11), Kontrabass (9)

ad Flöte: 3. und 4. auch Piccoloflöte
ad Oboe: 4. auch Englischhorn
ad Klarinette: 4. auch Bassklarinette
ad Fagott: 4. auch Kontrafagott

Art der Publikation
Verlag
Titel der Veröffentlichung
Georg Friedrich Haas: Poème
Verlag/Verleger

Bezugsquelle/Preview: Universal Edition

Beschreibung
"Ausgangspunkt von Poème für großes Orchester ist die Beziehung zwischen Linie und Klangraum. Eine unbegleitete Melodie der Soloklarinette beginnt mit einem Vierteltonschritt – einerseits traditionell im Gestus einer Kantilene das Stück eröffnend und andererseits gleichzeitig durch den mikrotonalen Intervallschritt auf neu zu erschließende Welten verweisend.

Der Nachhall am Ende der Melodien wird jeweils von anderen Instrumenten des Orchesters übernommen, füllt schließlich den gesamten Tonraum an und gleitet in den Streichinstrumenten erst langsam, dann immer schneller werdend in die Höhe. Die Bläser reiben sich damit in konstant bleibenden Tonhöhen.

Meine in den vorangegangnen Kompositionen etwa seit 1997 erarbeitete Harmonik wird in Poème  weiterentwickelt: das vom russischen Komponisten Ivan Wyschnegradsky erfundene Konzept der 'espaces non-octaviantes' (der nicht oktavierenden Klangräume) wurde von mir aufgegriffen, indem ich Akkorde verwende, die den gesamten hör- und spielbaren Tonraum ausfüllen und deren Skelett aus übereinander geschichteten großen Septimen besteht. Diese großen Septimen werden nun annähernd halbiert – es entsteht eine Abfolge aus übereinander geschichteten Quart- und Tritonusintervallen. (Es gibt noch Varianten dieses Akkordes, die ich immer wieder verwendet habe.) Der zweite Klang, der in meiner Musik der letzten Jahren eine zentrale Rolle spielt, ist der Obertonakkord. Hier wurde ich insbesondere von amerikanischen Komponisten beeinflusst: Harry Partch, James Tenney, La Monte Young. Charakteristisch für diese Akkorde ist einerseits die Abweichung von der üblichen temperierten Tonskala (vom Zwölftelton und noch kleineren Intervallen bis zum Viertelton – diese Mikrotöne klingen hier jedoch nicht 'falsch', sondern weich und verschmelzend, da sie direkt von den akustischen Grundlagen der Instrumentalklänge abgeleitet werden können) und andererseits die kontinuierliche Verkleinerung der Intervalle, je höher man sich innerhalb dieses Akkordes hinaufbewegt.

Ich habe in Poème auf die Verwendung des Obertonakkordes in seiner originalen Gestalt verzichtet. Aber das Prinzip der Verkleinerung der Intervalle habe ich übernommen und in den Wyschnegradsky-Akkord hineinprojiziert, indem bei aufsteigender Tonhöhe aus der approximativen Halbierung der großen Septime mit aufsteigender Tonhöhe nacheinander eine Dreiteilung, Vierteilung, Sechsteilung und zuletzt Achtteilung wird.

In formaler Hinsicht ist meine Musik als Wanderung von einem Zustand zum nächsten komponiert. 'Form' im traditionellen Sinn interessiert mich nicht. Was ich erreichen will, ist eine Abfolge von sich ständig verändernden Abschnitten, die in einem durchgehenden Prozess komponiert sind.

Die kantablen Linien verdichten sich und werden chorisch innerhalb der Instrumentengruppen zusammengefasst.

Die melodischen Linien steigen (in parallelen Quinten) unendlich in die Höhe und werden kontrapunktiert durch eine davon unabhängige unendlich fallende Melodie (in parallelen Wyschnegradsky-Akkorden).

Der Prozess gerät ins Stocken und mündet in einen pulsierenden Stillstand.

Am Ende des Stückes erscheinen zarte Wendungen mit Nachklang.

Es gibt keine Reprisen, keine entwickelnde Variation, keinen dialektischen Prozess zwischen zwei kontrastierenden Gestalten, nur ein Dasein von unterschiedlichen klanglichen Zuständen.

Poème ist Yasuko Ueda gewidmet."
Georg Friedrich Haas, Werkeinführung, Universal Edition, abgerufen am 28.09.2021 [https://www.universaledition.com/georg-friedrich-haas-278/werke/poeme-12243]

Auftrag: The Cleveland Orchestra (Franz Welser-Möst)

Widmung: Poème ist meiner Frau Yasuko gewidmet. (G. F. Haas)

Uraufführung
23. März 2006 - Cleveland (USA)
Mitwirkende: The Cleveland Orchestra, Franz Welser-Möst (Dirigent)

Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 4. 4. 2023): Haas Georg Friedrich . Poème. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/141002 (Abrufdatum: 18. 4. 2024).