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Teatro Shanghai

Werktitel
Teatro Shanghai
Untertitel
Bühnenmusik für chinesisches Ensemble
Komponist:in
Entstehungsjahr
2000
Genre(s)
Neue Musik
Gattung(en)
Bühnenmusik
Besetzung
Kammerorchester/Ensemble
Besetzungsdetails

Dizi (1), Sheng (1), Erhu (1), Pipa (1), Guzheng (1), Yan Qin (1), Ruan (1)

Art der Publikation
Verlag
Verlag/Verleger

Beschreibung
"Havanna, 50er Jahre: Im Zentrum Havannas lebt das größte Chinatown Lateinamerikas ein friedliches Leben scheinbarer Isolation. Jedoch dies ist eine Welt der Täuschung. Im Kabarett probt und spielt eine einheimische Beijingoperntruppe ihre eigene Fassung eines chinesischen Klassikers unter der Leitung eines -durch Drogenrausch ständig abwesenden Direktors. Dabei ist nichts echt, aber das kümmert niemanden. Es ist das Leben in der ›Fälschung‹ einer Kultur aus der sich eine selbständige Welt und deren Unterwelt entwickeln.
Aus drei sich überlagernden Kulturen - der spanischen, afrikanischen und chinesischen - ist die kubanische hervorgegangen. Woher die Sänger sind - des kubanischen Schriftstellers Severo Sarduy (1937-1989)- ist das wichtigste Werk der Belletristik, das darauf Bezug nimmt und dient als Vorlage für mein ›Teatro Shanghai‹ - ein Musiktheaterprojekt von dem die ›Bühnenmusik‹ ein › Stück im Stück‹ ist: die Musik der falschen Beijingoper aus Havanna.

I - Probe
Probe: ein offenes Werk -- ein Musizieren ohne Publikum.
Der Direktor tritt aus einem safrangelben Wölkchen hervor, das nach versengtem Gras riecht.

Die einzige Anweisung des Direktors - ›Ein bißchen chinesische Atmosphäre, Mädels‹ - ist jedem zu wenig. Passagen fügen sich zu einem Netz zusammen. Die Musiker sind auf sich selbst gestellt. Das Stück zielt vorwärts - die Oper muß fertig gestellt werden.

II - Descarga für Sheng und chinesisches Ensemble
Descarga: auf Spanisch: Entladung, elektrischer Schlag - auf Kubanisch: eine energische Art der Improvisation

Wir hören nicht die vom Instrumentalisten gespielten Musik, sondern was bereits durch ein ›Subjektives Ohr‹ verdaut wurde: Eine verzerrte Musik, so wie sie vom Direktor unter Drogenwirkung wahrgenommen wird; seine Musik, seine eigene Descarga. Eine Verfremdung, die sich einem neuen Duktus einfügt und verselbständigt.

Er ist inspiriert. Mit verklärter Miene nähert er sich, schaut zur Bühne, doch in seiner Wirklichkeit schreitet er über Schlachtfelder; er weicht Fledermäusen aus, die Toledoklingen sind, zerquetscht reihenweise Ameisen, Rote Zwerge, reitet auf einer Schildkröte. Für uns nimmt er nur seinen Ring ab; er dagegen zieht sich Blutegel aus den Ohren. Fächelt er sich mit den Händen? Im Reich des Grases teilt er das Meer. 
JSX (2000), Programmtext der Uraufführung

Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 5. 7. 2023): Sánchez-Chiong Jorge . Teatro Shanghai. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/141120 (Abrufdatum: 19. 4. 2024).