Bruchstücke - für Ensemble

Werktitel
Bruchstücke
Untertitel
für Ensemble
Opus Nummer
op, 97
KomponistIn
Entstehungsjahr
2012
Dauer
~ 15m
Genre(s)
Neue Musik
Gattung(en)
Ensemblemusik
Besetzung
Septett
Besetzungsdetails

Flöte (1), Klarinette (1), Perkussion (1), Klavier (1), Violine (1), Viola (1), Violoncello (1)

Art der Publikation
Manuskript

Auftrag:

Aspekte Salzburg

Widmung:

oenm . oesterreichisches ensemble für neue musik



Uraufführung:
2012 Salzburg

Ursprünglich als eine Art Sammlung von kleineren Stücken gedacht (Bruchstücke), entstand im Lauf der Komposition
immer klarer die Konzeption von ineinander übergehenden, einander auch durchdringenden kleinen Stücken. Die "Miroirs"
von Maurice Ravel wurden dabei immer deutlicher wie ein roter Faden, der die Struktur des Werks zusammenhält. Manche
der Stücke nähern sich dem Vorbild (Ravel bzw. auch Webern) entweder in klanglicher Hinsicht oder auch strukturell an.
Mehr oder weniger deutliche Zitate weisen darauf hin. Die Kombination Webern und Ravel mag erstaunlich klingen, aber
bei genauerer Betrachtung haben diese beiden großen Komponisten der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
durchaus Gemeinsamkeiten: da ist einerseits eine faszinierende Klarheit, Durchsichtigkeit und Farbigkeit des
Satzes wie auch die rhythmische und formale Komplexität, die ein gewisses Vorbild für "Bruchstücke für Ensemble"
waren.

 


Während die Anklänge und Zitate im Bezug auf Ravel durchaus erkennbar sind und auch so gedacht, ist der Zusammenhang
mit Webern eher im Bezug auf die Form zu finden: Kanontechniken, wie wir sie in der Sinfonie op. 21 finden, sind
hier aufgenommen und weiterentwickelt. Direkt nach dem "Alborada del grazioso" Zitat folgen 4 begleitete Kanons mit
einer Coda, die dann direkt zum letzten Teil des Stücks überleitet. Die 4 Kanons arbeiten nicht nur mit Techniken,
die Webern entwickelt hat, sondern sie nehmen auch Bezug auf die Kanons in Bachs "Musikalisches Opfer": es ist
eigentlich ein einziger Kanon, der 4 mal auf verschiedenen Stufen wiederholt wird (also eine Art "Canon per tonos")
und in verschiedenen Formen auftritt: der erste Kanon ist ein einfacher Kanon in der Unterquart wobei die
Imitierung leicht diminuiert wird, so dass die Imitation das imitierte überholt (!), der zweite
ein Umkehrungskanon beim dritten Kanon wird der Krebs des Kanons von der Umkehrung des Originals imitiert und der
vierte Kanon ist praktisch der Krebs des zweiten Kanons.

 


Die Nähe zu Maurice Ravels "Miroirs" (Plural!) ergibt auch noch eine andere Bedeutung für "Bruchstücke": es ist
als würden Bruchstücke eines Spiegels - oder mehrerer Spiegel - mit den Zitaten aus "Miroirs"  aufleuchten.
Während "Noctuelles" (das erste der Miroirs) nur einmal ganz kurz aufleuchtet, ist "oiseaux tristes" (auch Plural!)
ein fast auskomponierter Teil  mit Anklängen an das entsprechende Stück (man könnte sagen, dass durch
diese fast durchführungsartige Verarbeitung des Ravel Zitates aus dem einen im Klavierstück zu hörenden "oiseau"
jetzt die im Titel angedeuteten "oiseaux" (Mehrzahl!) zu hören sind). Der dritte "Miroir": "die Barke auf dem Ozean" wird
nicht wirklich zitiert sondern eher in einer anderen Weise neu komponiert. Ein Ausschnitt aus dem berühmten
"Alborada del grazioso" wird (ungenau!) augmentiert, ungenau harmonisiert und mit dem Webern Rhythmus verbunden
wodurch eine Parodie nochmals parodiert wird. Die Vallée des cloches - die ja schon bei Ravel auf das erste
Stück Bezug nimmt, wird in "Bruchstücke" nicht zitiert; wenngleich natürlich die nachschlagenden Begleitungsfiguren
in sämtlichen Spiegeln Ravels vorkommen, also auch in den Bruchstücken und dadurch automatisch auch ein
Zusammenhang zu "la vallée des cloches" entsteht.

 

 

Klaus Ager