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Zwischenzustand

Werktitel
Zwischenzustand
Untertitel
Bardo Thödol Trilogie: „Zwischenzustand“
Komponist:in
Beteiligte Personen (Text)
Thödol Bardo
Entstehungsjahr
2012
Dauer
55m - 60m
Genre(s)
Neue Musik
Gattung(en)
Ensemblemusik
Besetzung
Soloinstrument(e)
Trio
Besetzungsdetails

Flöte (1), Violoncello (1), Trompete (1), Posaune (1), Perkussion (1)
ad Flöte: oder Piccoloflöte, Altflöte, Bassflöte
ad Perkussion: Ping Pong Ball auf Glassplatte, 1e Pauke, ca. 5 verschiedene Tam-Tams, 1 Becken

Schwierigkeitsgrad
4
Art der Publikation
Eigenverlag
Digitaler Notenverkauf über mica – music austria

Titel: Zwischenzustand
ISMN: 979-0-012-15124
Ausgabe: Partitur
Sprache der Partitur: Deutsch
Seitenlayout: A4
Seitenanzahl: 35 S.
Verkaufspreis (inkl. Mwst.): 11,00 EUR

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Abschnitte/Sätze
„7“ Gedanken zum Bardo Thödol | reflexion | like a bouncing ball

Beschreibung
"Bardo Thödol Trilogie: „Zwischenzustand“
3 Kompositionen, die sich mit dem Thema „Bardo Thödol“ (tibetisches Totenbuch) auseinandersetzen, werden zu einer Gesamtkomposition zusammengefügt.

A) „7“ Gedanken zum Bardo Thödol
für ein beliebiges Instrument und sound-Installationen gestaltet von Michael Enzenhofer

1) Gedankliche Grundlage zu einer Komposition, die im Wesentlichen ohne Aufregungen, Spannungen, komplizierten rhythmischen Abläufen, wie man sie heute vielfach in der Neuen Musik vorfindet, auskommt ist das tibetische Totenbuch, Bardo Thödol. Ein Buch, das 49 Tage im Zwischentodreich, also den Zeitraum vom physischen Ableben bis zur Wiedergeburt, beschreibt.
2) Das Symbol eines 7 x aufspringenden Balles zieht sich wie ein roter Faden durch die Komposition, wie überhaupt die Zahl 7 nicht nur symbolisch, sonder wesentlich ist für die Improvisationen zu den Raumklängen, die der Komponist Michael Enzenhofer gestaltete. Das Spiel des live-Instrumentalisten, - Instrumentalistin geschieht zu 7 vorgefertigten sounds in 7 Abschnitten, die sich im Charakter unterscheiden. Die Dauer der 7 Teile ist abnehmend: 5 Minuten 43’’, 4’47’’, 3’51’’, 2’55’’, 1’59’’, 1’03’’, 07’’. Der letzte Abschnitt kann beliebig gedehnt werden. Im Buch „Das Tibetanische Totenbuch“, das im Auftag von W. Y. Evans-Wentz von Lama Angarika Govinda bearbeitet wurde, kann man auch von 7 Grundvokalen lesen, ich ordne die Vokale den folgenden Tönen zu: c=o, d=u, e=e, fis=li, g=ri, a=a, be=i, (h=o). Diese sind Zentraltöne der 7 Abschnitte.
3) Die 7 Teile werden durch Pausen unterbrochen, die Pausen werden immer kürzer: Am Anfang, vor dem 1. Improvisations-teil, 49’’(ff), dann 42’’(f), 35’’(mf), 28’’(mp), 21’’(P), 14’’(pp), 07’’. In den Pausen improvisiert der Spieler auf dem Tam Tam mit einem großen Schlägel und vibriert mit einem Stick. In der Pause vor dem 7. Abschnitt geschieht nichts.
4) Für die Improvisation kommt zusätzlich eine große Trommel dazu, die manchmal eingesetzt wird. Für den Improvisator wird ein Improvisationsbuch angelegt. Es sind Oktavierungen möglich, Spieltechniken und Phrasierungen sind weitgehend frei. Der Grundcharakter des Werkes ist nicht nervös oder hektisch, sondern ruhig ohne große Spannung.
ca. 24’ 41’’

B) reflexion für Violoncello solo
Gedankliche Grundlage zu meiner Komposition ist das tibetische Totenbuch, das Hörbuch „Bardo Thödol“ (wie schon für meine Komposition „7 Gedanken zum Bardo Thödol“ für ein beliebiges Instrument und Raumklang). Ein Buch, das 49 Tage im Zwischentodreich, also den Zeitraum vom physischen Ableben bis zur Wiedergeburt, beschreibt. In einem Kommentar zum tibetischen Totenbuch heißt es, dass man sich die 49 Tage bis zur Wiedergeburt wie eine „Reflexion von Gedankenformen“ vorstellen kann.
In reflexion zitiere ich aus dem Improvisationsbuch zur Komposition „7“ folgende Teile: „Grundvokale“ (Einleitung), „rollender Widerhall“(1), „lotrechter Pfad“(2), „Strahlungskörper“(3), „5 Elemente im Rad des Lebens“(4), „Strahlung klaren Lichts“(5), „Reflexion von Gedankenformen“ (6), „blendende Farben“(7),. Die Titel der einzelnen Abschnitte stammen aus dem Kommentar und sind eine Erklärung zum Verständnis des Bardo Thödol. Grundsätzlich hat der Interpret, die Interpretin, große Freiheiten besonders in der Artikulation. Manche Tempoangaben sowie Zeitangaben und die ungefähre Dauer des Stückes weisen auf die Interpretation hin. Singen bedeutet, dass die Silben i,a,u,ri,e,li,o von Männerstimmen mit c, von Frauenstimmen mit c’ gesungen werden sollen. Tempo – und Zeitangaben gelten für den jeweiligen Abschnitt.
ca. 11’

C) like a bouncing ball für Trompete(C), Tenorposaune(C), Schlagwerk: Ping Pong Ball auf Glasplatte, 1e Pauke, ca. 5 verschiedene Tam Tams, 1 Becken. Gedankliche Grundlage zu meiner Komposition ist das tibetische Totenbuch, Bardo Thödol (wie schon für meine Komposition „7 Gedanken zum Bardo Thödol“ für ein beliebiges Instrument und Raumklang). Ein Buch, das 49 Tage im Zwischentodreich, also den Zeitraum vom physischen Ableben bis zur Wiedergeburt, beschreibt.
In einem Kommentar zum tibetischen Totenbuch heißt es, dass man sich die 49 Tage bis zur Wiedergeburt wie einen Ping Pong Ball vorstellen kann, der immer kürzer aufspringt bis er zur Ruhe (Wiedergeburt) kommt. Das Symbol eines 7 x aufspringenden Balles zieht sich wie ein roter Faden durch die Komposition „like a bouncing ball“, wie überhaupt die Zahl 7 nicht nur symbolisch, sondern wesentlich ist für die Improvisationen für Trompete(C), Tenorposaune (C) und Schlagwerk, ebenso 4-malige Wiederholungen als Symbol des Lebenskreises.
In „like a bouncing ball“ zitiere ich aus dem Improvisationsbuch zur Komposition „7“ folgende Teile: „Grundvokale“, „Strom – Unterbrechung – Strom“, „absinken“, balancierende Nadel“, „Umkehrung“, „hirnbetäubendes Beben“, „Strahlung klaren Lichts“, „mystischer Gesang“.
Alle Tempoangaben sind variabel, die Angaben über Dämpfer sind nicht endgültig, die Posaune kann zwischen 3 Improvisationen wählen, die sie bis zur Seite 9 u. ständig wiederholt, der Schlusston be, Be – kann in verschiedenen Oktavlagen gespielt und gleichzeitig gesungen werden, denkbar ist auch, dass der Schlagzezeugspieler, die Schlz.-spielerin ein be mitsingt und dieses in 1/8 und 1/4 - Tönen variiert.
ca. 13’ 30’’

Gesamtdauer: 55 – 60 Minuten

BARDO THÖDOL
Das tibetische Totenbuch heißt im Original Bardo Thödol – wörtlich „Befreiung durch Hören im Zwischenzustand“. Es ist ein im 14. Jahrhundert schriftlich fixiertes Lehrsystem des tibetischen Buddhismus mit Unterweisungen, die dem Verstorbenen zusammen mit bestimmten Zeremonien vorgelesen werden und positiv auf den Prozess des Sterbens einwirken sollen. Es basiert auf dem Glauben, dass der Verstorbene für einen bestimmten Zeitraum noch fähig ist zu hören und damit auch die Möglichkeit hat, die ihm vorgetragenen Anweisungen zu realisieren. Diese Anweisungen zielen auf die geistige Erfahrung des Absoluten, die der Buddhismus mit einem Erlösungszustand gleichsetzt, in dem alle Bedingtheiten für eine neuerliche Wiedergeburt in der phänomenalen Welt „verlöscht“ sind (Nirvana). Der Prozess des Sterbens erstreckt sich im Bardo Thödol über einen Zeitraum von 49 Tagen, der in drei aufeinander folgende Phasen unterteilt ist:
„Zwischenzustand (Bardo) des Augenblicks des Todes“,
„Zwischenzustand der höchsten Wirklichkeit“ und
„Zwischenzustand des Werdens.“
Die ersten beiden Phasen erlauben über bestimmte Visionen von Lichterscheinungen und Gottheiten eine spontane Befreiung. Gelingt dies nicht, beginnt das „Gericht“, wo in einer 4 x 7 Tage dauernden letzten Phase die früheren Taten (Karma) überprüft und die Entscheidungen über die Wiedergeburt in einen neuen Daseinsbereich getroffen werden. Die menschliche Existenz ist nur eine von mehreren Formen und die bestmögliche, denn sie erlaubt das Hören und bietet sonst alle Eigenschaften, Befreiung zu erlangen, sei es durch Übungen bereits zu Lebzeiten, oder im Sterben, wofür das Leben und seine Taten die Vorbereitung sind.

Die für uns befremdlich wirkende Ikonographie, Kosmologie und Symbolwelt des tibetischen Buddhismus erschwert mitunter den Zugang zu diesem Totenbuch. Doch soll der Interessierte wissen, dass die Bilder, die hier heraufbeschworen werden, Trugbilder der phänomenalen Welt sind, und ihre erstrebte Überwindung auf Erfahrungen beruhen, die eigentlich keine kulturellen Grenzen kennen. Der tibetische Buddhismus spricht auch von Bardo -Zuständen des Lebens; das sind „Bardo der Geburt“, „Bardo der Träume“ und „Bardo der geistigen Versenkung.“ Sie beziehen sich auf Schwebezustände, die vom Praktizierenden bewusst herbeigeführt werden können, im Prinzip aber unabhängig eines bestimmten Glaubensbekenntnisses jedem Menschen zugänglich sind oder in Extremsituationen erfahrbar werden können. Beschreibungen von so genannten Nah-Tod Erfahrungen ähneln hier den „Schwebezuständen“ im Bardo Thödol, die beide Erlebnisse des Hörens und Sehens sind. Der Zeitraum von 49 Tagen mag wiederum auf eine Erfahrung zurückgehen, die oft bei Tod eines Nahestehenden berichtet werden, wonach der Verstorbene für einen Zeitraum noch „da“ ist, gespürt wird, doch irgendwann weg ist und in die Erinnerung entschwindet. Und selbst die Grundvorstellung, auf die das buddhistische Erlösungs-system aufbaut, ist der abendländischen Kultur vertraut, wenn auch mit anderen Deutungen versehen: die ewige Wiederkehr des Lebens. In Bezug auf die menschliche Existenz setzt der Buddhismus diesem, als leidvoll gedeuteten Kreislauf die Möglichkeit einer endgültigen Über-windung entgegen. Er führt zu einem Ort des erlösenden Wissens, das ein indischer Dichter (Ashvagosha, 1.–2. Jh.) mit den Worten zusammenfasst: „Das innerste Wesen aller Dinge ist ein und dasselbe, vollkommene Stille und Ruhe, und zeigt kein Zeichen von Werden.“
Guntram Hazod, 3-2008/ 12-2012, Institut für Sozialanthropologie, Österreichische Akademie der Wissenschaften.

Uraufführung
2015 - Brucknerhaus Linz

Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 4. 1. 2024): Hazod Michael . Zwischenzustand. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/202902 (Abrufdatum: 4. 5. 2024).