Hans Joachim Roedelius © Nadine Blanchard
Hans-Joachim Roedelius wurde 1934 in Berlin Steglitz geboren. Seine berufliche Laufbahn begann vorerst in einem gänzlich anderen nichtmusikalischen Umfeld: in Berlin übt er seinen erlernten Beruf Masseur aus und ist als Sterbebegleiter tätig. 1964 erfolgt die bewußte Hinwendung zur Kunst und er beginnt größtenteils als Autodidakt in Sachen Klangmalerei, Tondichtung und Poesie tätig zu werden. Es folgen erste Auftritten in Kaffeehäusern, Fabrikshallen, in der HdK und der Hochschule für Angewandte Kunst Berlin sowie Landschaftsbeschallungen. Die Nutzbarmachung elektrisch generierten Klangmaterials bzw. die Verwendung jeglichen Geräusches zu musikalischen Zwecken stand am Beginn seiner Karriere. Als Schüler von Josef Beuys und Conrad Schnitzler gehört er der Fluxus-Bewegung an.
Weitere Stationen seines Schaffens sind: 1969 erste Gruppengründungen "Plus/Minus", "Geräusche", "Per Sonare". Die Gründung des ersten, privat initiierten Kommunikationszentrums freischaffender Künstler in Berlin ("Zodiak") und die Mitgründung der Gruppe "Kluster" (gemeinsam mit dem Bildhauer, Maler und Aktionskünstler Konrad Schnitzler und dem Grafiker, Designer und Musiker Dieter Moebius). 1970 folgen erste Plattenaufnahmen, 1971-1996 unter dem Titel "Cluster". 1972-1976 ist er Mitglied der Gruppe "Harmonia". Ab 1977 Zusammenarbeit mit Brian Eno, Holger Czukay, ab 1981 mit Alexander Czjzek; 1983 Zusammenarbeit mit dem "Teatro e Danza la Fenice" (Venedig) und der amerikanischen Tänzerin und Choreografin Caroline Carlsen; 1989 Gründung des "Pools" von Musikern/Komponisten "Treffpunkt Wien", um nur einige wenige seiner vielen Projekte zu nennen, zu denen auch Filmmusiken sowie Klang- und Rauminstallationen gehören (z.B. gemeinsam mit Gilbert Bretterbauer "Psyche", ein Beitrag zum 'Mobilen Museum' des Public Arts Lab Berlin).
Er hat unzählige Konzerte und Lesungen rund um den Globus gegeben und bisher über 1000 Werke geschaffen: Gedichte und Texte, drei Sinfonien und viele Lieder, von denen sich zahlreiche auf den etwa 150 CD/LP Veröffentlichungen wiederfinden, auf denen sein Name aufscheint. Die Biografie "Roedelius - Painting with Sound" von Steven Iliffe ist 2003 bei Meridian Music Guides in London erschienen.
Klangforscher, Elektronikpionier und Selbstverweigerer. Hans-Joachim Roedelius hat die Geschichte elektronischer Musik mitgeschrieben und gilt dabei als unbedankter Held, dem es stets um die Klänge und nie um schnöden Starruhm ging. Von der Tatsache des prominenten Fankreises von Brian Eno abwärts unbeeindruckt, lebt der gebürtige Deutsche seit Jahren in Baden bei Wien und richtet auch diesen Sommer wieder sein More Ohr Less Festival aus.
Ausbildung
Akademie der Künste Berlin Berlin Grafik und Werbung
Ausbildung zum Masseur und Staatsexamen für Heilgymnastik
Tätigkeiten
1961 - 1967 Bläserquartett Charisma Berlin Masseur und Sterbebegleiter in der Charité Berlin
1964 bewusste Hinwendung zur Kunst; Autodidakt in Sachen Klangmalerei, Tondichtung und Poesie
1969 erste Gruppengründungen "Plus/Minus", "Geräusche", "Per Sonare"
1970 erste Plattenaufnahmen
1972 - 1976 Mitglied der Gruppe "Harmonia"
1977 seitdem Zusammenarbeit mit Brian Eno, Holger Czukay
1981 seitdem Zusammenarbeit mit Alexander Czjzek
1983 Zusammenarbeit mit dem "Teatro e Danza la Fenice" (Venedig) und der amerikanischen Tänzerin und Choreografin Caroline Carlsen
1989 Gründung des "Pools" und des "Treffpunkts Wien" für Netzwerktätigkeiten von Musikern/Komponisten
1996 Kluster-Tournee mit zahlreichen Auftritten in Tokio, Osaka und etlichen Städten der USA
Tirana / Albanien Ehrenpräsident des "Moving Cultures" Festivals
freischaffend tätig als Komponist, Musiker, Produzent, Dichter, Akteur und Tänzer
More Ohr Less Lunz am See Initiator und Intendant des Symposions
unzählige Konzerte und Lesungen im In- und Ausland; Solo-Tourneen z.B. Indian-Summer-Tour 1999 USA, Japan-Tour 2000 u.v.a.
zahlreiche Klang- und Rauminstallationen
Mitgründung der Gruppe "Kluster" (gemeinsam mit dem Bildhauer, Maler und Aktionskünstler Konrad Schnitzler und dem Grafiker, Designer und Musiker Dieter Moebius)
Berlin Gründung des ersten, privat initiierten Kommunikationszentrums freischaffender Künstler ("Zodiak")
Angehöriger der Fluxus-Bewegung
Aufführungen (Auswahl)
Donaufestival Krems
Wiener Festwochen Wien
Zagreb Eurokaz
Festival Musica Visual Lanzarote
Hamburg Kampnagelfabrik
Osnabrück KlangArt Osnabrück
Barcelona Nits de Musica (Miró Foundation Barcelona)
Auszeichnungen
1986 Academy of Motion Picture Arts and Sciences: "Witness to War: Dr. Charlie Clements" - Musik zum Dokumentarfilm
1994 Anerkennungspreis für besondere Leistungen auf dem Gebiet der Musik
2002 Stadt Baden Badener Kulturpreis
2004 Stadt Baden Kaiser Friedrich III Medaille für Verdienste um das kulturelle Ansehen der Stadt Baden
Rotary Club Kulturpreis des Rotary Clubs Baden
Alban Berg Stiftung Stipendiat der Stiftung
Stilbeschreibung
Ich bin Autodidakt und habe in den etwa dreißig Jahren meiner Tätigkeit als praktizierender Musiker meine eigene musikalische Sprache entwickelt, die man als elektronische Kammermusik bezeichnen könnte. Das Vokabular dieser Sprache setzt sich aus vorwiegend elektrisch erzeugten und manipulierten Tönen und Klängen zusammen. Ich verwende aber auch jeglicherlei anderes Geräusch, das mir passend erscheint, benutze Samples der verschiedensten Art, "recycle" Fragmente aus bereits komponierten Musiken, indem ich neue Zusammenhänge herstelle, und spiele mit dem Tonmaterial aus dem Fundus des klassischen Instrumentariums. Meine besondere Aufmerksamkeit gilt dem Klavier. Ich schreibe (und lese) keine Partituren, sondern zeichne in der für meine Schule eigenen Weise ausschließlich elektronisch auf, indem ich im Mehrspur/Playback-Verfahren aus vielen Einzelpartikeln meine Musikstücke vom Mehrspurbank auf ein Zweispurbank "herunterkomponiere" bzw. bei Aufführungen meist unter Benutzung verschiedenster Tonquellen improvisiere. Ich gehöre als aktiver Mittäter im kulturellen Neuaufbruch der sechziger Jahre und Vertreter einer Vorstellung, die künstlerische Tätigkeit mit religiöser Aufgabe gleichsetzt bzw. Kunst als Zwillingsschwester der Religion versteht, zu den Mitbegründern einer Schule für Klanggestaltung aus den Gegebenheiten des Augenblicks heraus.
Hans-Joachim Roedelius 1995/1996
Pressestimmen
2005
Scheuklappentragen sollen andere. Roedelius mixt Stile und Ausdrucksformen, Improvisationen und Kompositionsstrukturen, Instrumente und Stimmungen, dass man gar nicht mitbekommt, auf welch eine Achterbahnfahrt der Herr einen da mitnimmt.
CD-Review 'Roedelius Works 1968-2005'
2001
Er gehört zu den Vätern der zeitgenössischen, populären, elektronischen Instrumentalmusik. Zumindest das hat mal jemand niedergeschrieben. Ich würde es anders formulieren: Roedelius ist vor allem ein Forscher der Musik - nicht nur der elektronischen - der auf unverwechselbare Weise Klangräume schafft, die sich dem Zuhörer oft nur dann erschließen, wenn er sich den Parameter des Komponisten angleicht. Er selber bezeichnet seine Musiken als klingende Literatur, als Philosophie in Tönen, ein Klangkino oder Horchtheater. Auch ein Hinweis darauf, dass er Muße einfordert, mehr noch als Bereitschaft.
SKUG (Alexander De Goederen)
Weitere Pressestimmen unter: http://www.roedelius.com/index.php?menu=4
Links mica-Archiv: Hans-Joachim Roedelius, Perfect Sound Forever: Interview by Jason Cross (1997) (Englisch), Monkeymusic: Live @ RKH - ROEDELIUS (2006), Grönland-Records: Hans-Joachim Roedelius, Eintrag auf basis wien
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 18. 9. 2024): Biografie Hans-Joachim Roedelius. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/63156 (Abrufdatum: 21. 11. 2024).