Nasszelle

Werktitel
Nasszelle
Untertitel
Für Paetzold-Kontrabassblockflöte und Tape
KomponistIn
Entstehungsjahr
2006
Genre(s)
Neue Musik
Gattung(en)
Sololiteratur
Elektronische Musik
Besetzung
Soloinstrument(e)
Zuspielung
Besetzungsdetails

Kontrabassblockflöte (1, Paetzold-Kontrabassblockflöte), Tonband (1)

Art der Publikation
Manuskript

Beschreibung
"Vergleichbar dem Zerfall der kristallinen Anordnung von Wassermolekülen im Vorgang des Schmelzens von Eis, werden in Nasszelle für Paetzold- Kontrabaßblockflöte und Tape unterschiedliche Zellenzusammenhänge ausgelotet und hörbar gemacht. Klangzellen bewegen sich in unterschiedlichen Aggregatzuständen und wechselnden Umgebungen, ganz ähnlich physikalischen Prozessen der Phasenumwandlung.
Das Schmelzen eines zu Beginn kristallinen Stoffes bedingt die sukzessive Zersetzung musikalischer Ordnung. Klangmoleküle treten in Bewegung, verflüssigen sich und beschleunigen. Das musikalische Material ist gleichsam unterschiedlichen Temperatureinflüssen ausgesetzt und tritt somit in je unterschiedlicher Färbung in Erscheinung. Beim Erreichen der Erstarrungstemperatur am Ende des Stückes kommt es an mehreren Stellen innerhalb des musikalischen Gefüges neuerlich zur Kristallbildung.
In Nasszelle für Paetzold-Kontrabassblockflöte und Tape richtet sich der Fokus auf klangliche Details, die durch eine ausgearbeitete Mikrofonierung quasi mikroskopisch vergrößert und durch spezielle Spieltechniken erreicht werden. Die klanglichen Besonderheiten dieser aussergewöhnlich konstruierten Kontrabassblockflöte sollen bis in die hintersten Ecken „ausgehört“ werden. Das Tape hat dabei die Funktion eines Duo-Partners, manchmal erscheint es wie die Negativ-Folie des live gespielten Parts, dann wieder füllt das Live-Instrument die im Tape eingearbeiteten weissen Flächen sukzessiv aus, und schließlich führen Live- Part und Tape eine integrale Koexistenz.
Ähnlich wie in anderen meiner Stücke bewegt sich auch Nasszelle insofern sehr bewusst auf dem schmalen Grad von akustischer und elektronischer Musik, als die Samples, Maschinensounds und Motorenloops ihre vormals kühlen, gleichsam rohen Eigenschaften verlieren und im Sinne von Klangskulpturen im kompositorischen Prozess wie auch in der jeweiligen Aufführungssituation modelliert und in eine kontrapunktische Konstruktion von Tape und Live-Sound überführt werden. In der Live-Performance dringt das Instrument förmlich in das anorganische Klanggewebe ein, modelliert und manipuliert es, setzt das vorgegebene Material in Bewegung, färbt es spezifisch ein und setzt damit den Prozess der Umwandlung in organisches Gewebe in Gang. Aus anderer Perspektive betrachtet wird der Interpret durch die erforderliche Präzision und das genaue Timing (zwischen Live-Part und Tape) fast schon in einen maschinellen Zustand versetzt."
echoraum: Werknotizen (2020), abgerufen am 15.10.2020 [https://www.echoraum.at/reiter.htm]