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für janna polyzoides

Werktitel
für janna polyzoides
Untertitel
Zweites Konzertstück für Klavier und Ensemble
Komponist:in
Entstehungsjahr
2006
Dauer
25m
Genre(s)
Neue Musik
Gattung(en)
Ensemblemusik
Vokalmusik
Besetzung
Solostimme(n)
Soloinstrument(e)
Kammerorchester/Ensemble
Besetzungsdetails

Solo: Sopran (1), Klavier (1)

Flöte (1), Klarinette (1), Bassklarinette (1), Perkussion (2), Harfe (2), Violine (2), Viola (1), Violoncello (1), Kontrabass (1)

Art der Publikation
Verlag
Titel der Veröffentlichung
für janna polyzoides

Bezugsquelle: Doblinger Musikverlag

Beschreibung

"Christian Ofenbauers für janna polyzoides (2006), im Untertitel sein Zweites Konzertstück für Klavier und Ensemble, ist ein Werk des Abschieds, des Übergangs, des Loslassens, ja sogar des Sterbens – auf mehreren Ebenen. Eine der initialen Ideen des Komponisten war es, zu einem Text zurückzukehren, der ihm schon einmal den Anstoß zu einem Werk geboten hatte: ein Fünfzeiler des romantischen Dichters und preußischen Offiziers Friedrich de la Motte Fouqué (1777–1843).

Leben ist ein Traum nur
Ein verhallender Sang
Ein entschwallender Rauch nur
Und wir sind das auch nur
Und es währt nicht lang

Damals, im Jahr 1995, hatte er ein Ensemblelied auf diesen Text im Sinn gehabt und tatsächlich die Worte in der hier zitierten Fassung zunächst in eine einstimmige Gesangslinie gegossen. Während der Komposition der instrumentalen Einleitung vor dem Einsatz dieser Singstimme, die freilich direkt aus deren vorgeformtem Material abgeleitet ist, hat sich für Ofenbauer aber die Notwendigkeit des konkreten Gesangs verflüchtigt: unordentliche inseln.  [...]

für janna polyzoides (2006) ist auch ein Dokument dieses immer konkreter, bewusster werdenden Abschieds von der Singstimme – in Form eines instrumental eingesetzten Soprans, dessen Vokale, Konsonanten und Atemgeräusche mit keiner Text- vorlage mehr in Beziehung stehen: gleichsam die letzten, übriggebliebenen Hobelspäne am Boden der Opernwerkstatt.

Eine zweite Idee war es, nach dem frühen ersten Klavierkonzert Odysseus/Abbruch/Sirenen (1989) zu diesem Genre zurückzukehren – und es beim zweiten Anlauf ein für alle Mal abzuhandeln, es gewissermaßen aufzulösen. Damals sprach das Soloinstrument noch ungebrochen, war Protagonist und Partner, Wortführer und Gegenspieler, dem Orchester in traditioneller Weise gegenübergestellt. [...] Der dritte Einfluss auf die Partitur war der erschütternde Bericht von der öffent- lichen Hinrichtung zweier iranischer Jugendlicher: Ein Zeitungsauschnitt klebt in Ofenbauers Skizzenbüchern.

für janna polyzoides (2006) entfaltet sich in statisch anmutenden Abschnitten; sie sind indes verschieden genug, um eine Entwicklung zu formen und ähnlich genug, um diese in kleinen Schritten voranzutreiben. So wie sich der Klavierpart zugleich in Tonraum und Gestik erweitert, um gerade dadurch in den Ensembleklang zurückzusinken, gliedert sich auch die dichter werdende Singstimme immer weiter ins Gesamtgeschehen ein:  [...]

„Ja, aber in dem Beklemmenden der Musik liegt für mich zugleich auch etwas Flirrendes, Überirdisches – und etwas ungemein Liebevolles. Die Klänge tragen den Hauch der Zärtlichkeit in sich“, ist Janna Polyzoides überzeugt. Zum Gänsehaut verur- sachenden Ausdruck für das Überschreiten der letzte Schwelle, von der es keine Umkehr mehr geben kann, wird jedenfalls der Schlussteil – dort, wo zuerst

Harfen, dann auch die Bläser schon verstummt sind und wenig später auch das sehr zart eingesetzte Schlagwerk das Feld schließlich nur noch Sopran, Streichern und Klavier überlässt. Ausgehend vom c1, dem Initialton in diesem Konzertstück, hat die Pianistin oder der Pianist das Instrument punktuell zu verstimmen: in Oktavschritten abwechselnd nach oben und unten jeweils eine Saite des Chors der gerade leise angeschlagenen Taste um einen Viertel-, Halb- oder Achtelton. Eine rasche Figur durch alle Oktaven des Tons c steht am Ende der Klavierstimme, surreal verbeult, ein „entschwallender Rauch“.[...]

Lässt sich für janna polyzoides (2006) aus dem Blickwinkel des Klaviers wie ein Postludium begreifen, kommt das Klavierstück 2018 eher einem Präludium gleich, einem emphatischen Aufbruch in eine andere Welt des Instruments. Vor allem auf der letzten Seite löst sich das Klavier von seinem herkömmlichen Klang: Viele Sostenutoklänge sowie ganz laute Töne nur in der Mittellage bringen es dazu, auf merkwürdige Weise zu singen. Dieses Moment von Transzendenz schlägt eine Brücke zurück zum Schlussteil des Konzerts mit seinen Schreckensahnungen, wo namentlich auch die menschliche Stimme und die lang gezogenen Streichertöne klanglich einander in einem geräuschhaften Zwischenreich begegnen, sich vermischen, auf beinah gespenstische Weise ununterscheidbar werden: verhallender Sang, entschwallender Rauch."
Walter Weidringer, CD booklet, paladino music, abgerufen am 31.03.2022 [https://www.paladino.at/sites/default/files/downloads/pmr0112_ofenbauer_iTunesBooklet_FIN.pdf]

„Christian Ofenbauer schreibt im Programmheft von seiner Betroffenheit, die die Nachricht der Ermordung zweier homosexueller Teenager im Iran bei ihm ausgelöst hat. Erwartet man nun, dass dramatische Musik das Beschriebene darstellt, irrt man. Denn frei von solch plakativen Bezügen lädt das knapp halbstündige Werk zu freien Assoziationen ein. Stets im Piano gehalten greifen einzelne repetierte Töne diverser Instrumente verzahnend ineinander; daraus ergeben sich Klangfolgen, die kein Ziel zu haben scheinen und die man gelegentlich zu erinnern meint. Entgegen dem traditionellen Verhältnis von Solistin und Ensemble tritt erstere nur zart durch arpeggierte Akkorde in den Vordergrund, gelegentlich mag man sich fragen, ob nicht die ihr zur Seite gestellte Sängerin mit ihren gesummten Tönen diese Rolle innehat. Dies ändert sich erst in den letzten Takten, als die Pianistin J. Polyzoides, der das Werk gewidmet ist, nacheinander einzelne Töne verstimmt, um in wenigen mikrotonalen Akkorden zu enden.“
Doris Weberberger, ÖMZ 66/I 2011

Widmung

Janna Polyzoides // "in memoriam mohammad askaris und ayad marhunis"

Aufnahmen

Aufnahmen
Titel: Christian Ofenbauer. Für Janna Polyzoides
Jahr: 2021
Label: Paladino
Mitwirkende: Janna Polyzoides (Klavier), die reihe, Christian Muthspiel (Dirigent)

Titel: für janna polyzoides (2006) - Zweites Konzertstück für Klavier und Ensemble - In memoriam...
Plattform: YouTube
Herausgeber: Janna Polyzoides – Thema
Datum: 30.07.2021
Mitwirkende: Janna Polyzoides (Klavier), die reihe, Christian Muthspiel (Dirigent)
Weitere Informationen: Paladino CD Aufnahme

Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 22. 4. 2022): Ofenbauer Christian . für janna polyzoides. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/146508 (Abrufdatum: 19. 3. 2024).