Ninive oder Das Leben geht weiter - Oper in 2 Teilen (7 Bildern) nach dem "Buch Jona"

Werktitel
Ninive oder Das Leben geht weiter
Untertitel
Oper in 2 Teilen (7 Bildern) nach dem "Buch Jona"
KomponistIn
Beteiligte Personen (Text)
Vogg Herbert
Entstehungsjahr
1987
Dauer
2h
Genre(s)
Neue Musik
Subgenre(s)
Modern/Avantgarde
Tradition/Moderne
Gattung(en)
Oper/Musiktheater
Sprache (Text)
Deutsch
Besetzung
Solostimme(n)
Chor
Gemischter Chor
Orchester
Besetzungsdetails

Orchestercode: S, A, 3 T, BBar, SpielBar, B, gem.Ch - 3/3/3, BKlar/3, 2 ASax, TSax - 4/3/3/1 - Pk, 4 Perc, Hf, Cel, Pf, Akk - Str

Solo: Sopran (1), Alt (1), Tenor (3), Bariton (1), Bassbariton (1), Bass (1)

gemischter Chor (1), Flöte (3), Oboe (3), Klarinette (3), Bassklarinette (1), Fagott (3), Altsaxophon (2), Tenorsaxophon (1), Horn (4), Trompete (3), Posaune (3), Tuba (1), Pauke (1), Perkussion (4), Harfe (1), Klavier (1), Celesta (1), Akkordeon (1), Streicher

ad Bariton: Spielbariton (1)

Rollen:
Jona (BBar), Don Alieno (SpielBar), Meta (A), Abad (T), Zabad (B), Lara, ein Mädchen (S), Grano, ein Bursche (T), Der Steuermann (T), Dorfbewohner, Jugendliche aus dem Dorf, Die Leute von Ninive

Art der Publikation
Verlag

Auftrag: Tiroler Landestheater und Orchester GmbH Innsbruck

Uraufführung
24. September 1988 Tiroler Landestheater
Mitwirkende: Lichtfuss Martin, Seipenbusch Edgar, Innsbrucker Symphonieorchester, Chor und Extrachor des Tiroler Landestheaters, Helmut Wlasak (Regie), Heinz Hauser (Bühnenbild), Tomasz Kepzynski (Choreographie), Gloria Berg (Kostüme)

"Geschrieben im Auftrag des Tiroler Landestheaters in Innsbruck, basiert inhaltlich auf dem Buch Jona aus dem Alten Testament. Mit der von Intendant Helmut Wlasak vorgegebenen Themenwahl war aber der Wunsch nach einer "richtigen Oper fürs Abonnement" (keiner Kirchenoper, keinem geistlichen Spiel also!) verbunden.
"Ninive" von Herbert Vogg und Erich Urbanner ist die (nicht ganz) ins Weltliche transferierte Parabel einer Untergangsprophezeiung, einer Verweigerung, einer überraschenden Umkehr, eines überraschenden Erbarmens. Die Handlung entrollt sich vor kontrastierendem Hintergrund: Hier eine im Einklang mit der Natur und sich selbst stehende Dorfbevölkerung, dort die Bewohner der in der Scheinwelt sinnlicher Freuden aneinander vorbeilebenden Großstadt. Vogg zeichnet die Personen mit zutiefst menschlichen Zügen, läßt sie gegen die letztlich unbegreiflichen Fügungen ihres Daseins ankämpfen. Kontraste brechen auf, Gegensätze verwischen sich und verschieben ihre Positionen.

Lara und Grano, das Liebespaar: Er erträgt nach einem Besuch in der Stadt die Enge des Dorfes nicht mehr.
Abad und Zabad, die Wissenschaftler: Ihre streng logischen Theorien werden angesichts der Tatsachen Lügen gestraft.
Don Alieno, der Weitgereiste, der die Dinge vom interessierten Standpunkt des Außenstehenden betrachtet: Er sieht sich plötzlich eingebunden ins Schicksal der Anderen.
Und Jona selbst, der Prophet, der die Erfüllung des Auftrags verweigert, dessen Prophezeiung nicht eintrifft: Wie vereinbart er das mit seinem Gott- und Selbstvertrauen?

Festgefügte Welten geraten ins Wanken. Ausgerechnet der Steuermann lebt unbelastet von geistigen und seelischen Auseinandersetzungen einfach in den Tag hinein. Dann ist da noch Meta. Die Gedankenwelt Abads und Zabads, der sie nahesteht, erweitert sich bei ihr um die Dimension des METAphysischen, aus ihrem Mund ergeht der Auftrag an Jona: "Das Ende künde - zur Umkehr rufe!" Metas Stellenwert scheint sich mit der Entwicklung der Handlung weniger zu verschieben als zu enthüllen; doch bleiben letzte Rätsel ungelöst und letzte Antworten unausgesprochen.

Diese Fülle von Entwicklungen und Gegensätzen findet ihre Entsprechungen in der Musik. Urbanner bedient sich einer Tonsprache, die wohl die Ausdrucksmittel unserer Zeit voll nützt, andererseits "der schlichten Lebenswahrheit" (Urbanner) der biblischen Erzählung gerecht wird. Analog zum Text besitzt jede der Personen - fernab von Leitmotivik - ihr eigenes, aber von den anderen abgegrenztes und verschiedenes Vokabular, welches gleichfalls einer gewissen Entwicklung unterworfen ist. Farben wechseln, Stimmungen kippen um, die an dramatischen wie lyrischen Momenten reiche Musik macht "Ninive" schon rein formal zur packenden Oper. Dahinter aber eröffnet sich in fein schattierten Klangbildern allzeit gültige Lebenswahrheit. So setzt die Musik den zwischen den Textzeilen verankerten eigentlichen Inhalt des Stücks mit den nur ihr eigenen Mitteln optimal um.

Wichtiger aber als jede detaillierte Form- und Stilanalyse ist dem Komponisten wie dem Autor die Zeitlosigkeit der Materie. Die Personen der Jona-Parabel leben unter uns. "Ninive" ist jetzt! "Ninive" sind wir!"
Rainer Bonelli