Solo: Perkussion (1)
Flöte (1, auch AFl), Oboe (1), Saxophon (1), Klavier (1), Kontrabass (1), Elektrische Gitarre (1)
Beschreibung
"November 2000
In einer Kneipe in Wien reden Berndt Thurner und ich über mein Stück für Palimpsest: Es wird ein Konzert für ihn sein, das seinem Spiel viel Freiheit lässt. Als Instrumentarium wählen wir Schrott und Metallgegenstände neben Instrumenten, die Berndt aus China und Burma mitgebracht hat. Er wünscht sich ein Stück, bei dem er so musizieren kann, als ob er für sich selbst spielt; nichts gefälliges, nichts einfaches. Es erinnert mich an die alte chinesische Tradition, in der das alleine für sich Musizieren etwas Vollkommenes ist. Berndt - so fand ich immer - ist so etwas wie ein in Kärnten geborener Chinese.
Jänner 2001
Ich sitze in Miami und komponiere so weit es das gute Wetter zuläßt. Um Berndt eine ihm vertraute Vorlage zu liefern, orientiere ich den Ensemblepart an seine Spielweise. Ich versuche seinen ausgeprägten Sinn für Melodien - die er normalerweise auf nicht melodischen Instrumenten improvisiert - ins Ensemble frei zu übersetzen, neu zu interpretieren und zu erfinden. Auch das Rubato und die Tempowechsel seines Spiels versuche ich zu übertragen. Hier ist aber Sommer in Europas Winter, hier klingt alles nach Salsa.
März 2001
In einem Wiener Kaffeehaus machen wir den letzten Schliff, treffen die letzten wichtigen Entscheidungen. Am nächsten Tag findet die Uraufführung statt. Das Stück klingt nicht nach Salsa, sondern manchmal nach Heavy Metal, oder wie ein alter Synthesizer, vielleicht auch etwas chinesisch. Trotzdem heißt es "Veneno 5": also, "Gift" wie die (Salsa-)Musiker aus der Karibik die Rauheit ihrer Bearbeitungsmethode bezeichnen.
März 2002
Wieder mal in einer Kneipe, diesmal in Berlin. Ich rede mit Berndt über eine neue Fassung von Veneno 5 und seinen "Sound": obertonreiches Blech, hohes Holz, abrupte Wendungen mitten in fließenden Gestalten, mit nicht melodischen Mitteln erzeugt Melodisches, harmonisches Nebeneinander von extremer Dichte und Stille. Allerdings weigert er sich, dass als "seinen" Sound zu bezeichnen, weil er sich nicht auf etwas festlegen will. Er will weiter suchen.
Mai 2002
Ein Schrottplatz in Wien-Meidling. Aus seiner Sorge beim Selben zu bleiben, verkaufte Berndt vor zwei Wochen seine großen chinesischen Becken. Damit spielte er die wichtigste Passagen von Veneno 5. Das trifft sich gut: Für die neue Salzburger Fassung suchen wir ein neues Instrumentarium. In einigen Stunden am Schrottplatz bringen wir alles, was in Frage kommt, zum Klingen. Die Besitzerin schreibt die Rechnung, lächelt und fragt, ob sie dazu "Musikinstrumente" schreiben soll."
JSX (2002)
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 5. 7. 2023): Sánchez-Chiong Jorge . Veneno 5. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/141116 (Abrufdatum: 23. 12. 2024).