Bulbul © Klaus Pichler
Gründungsjahr: 1996
"Gibt man den Begriff "Bulbul" in der Suchleiste des Internet-Lexikons Wikipedia ein, so wird man nach besserwisserischer Addition zweier Umlaut-Zeichen darüber aufgeklärt, dass es sich dabei um eine Singvogel-Gattung handelt. Läuft einem nun mitten in Wien jemand über den Weg, der erklärt, er wäre gerade auf dem Weg zu Bulbul, so bedeutet das jedoch nicht zwingend, dass an eben diesem Abend ein Ornithologen-Kongress über die Bühne geht, sondern wohl viel eher, dass die Band Bulbul im Begriff ist, eine eben solche in Grund und Boden zu spielen. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass auf den Philippinen "Bulbul" eine gängige Bezeichnung für "Schamhaar" ist. Derlei Haarspaltereien sollen hier aber nicht weiter verfolgt werden – zurück zur Musik.
Die ersten Skizzen hierzu entstanden bereits in der Zeit um 1994-1995, mit denen Sänger / Gitarrist Manfred Engelmayr den Grundstein zur späteren Rock-Institution gelegt hat. Bevor es allerdings soweit war, ließen künstlerische Differenzen sowie zeitliche Unvereinbarkeiten gleich mal die ersten drei Besetzungen zerbröseln, bevor es überhaupt richtig losgegangen ist. Die erste dieser Besetzungen dürfte noch nicht einmal den Weg auf eine Bühne gefunden haben, zumindest ist darüber nichts Näheres bekannt. Mit der zweiten fand schließlich im Jahr 1996 das erste Konzert unter dem Namen Bulbul und gleichzeitig auch schon wieder das letzte in dieser Besetzung statt – ein Cellospieler, ein Bassist, ein Drum-Computer und Engelmayr selbst, der heute in Szene-Kreisen nur noch der "Bulbul-Fredl" ist. Das Mitglied, das es aus der dritten Besetzung am längsten geschafft hat, an Fredls Seite zu bleiben, war dann ein Vierspur-Aufnahmegerät, mit dem hier erste Erfahrungen gemacht wurden – Bassist und Metal-Drummer wurden deutlich schneller entsorgt. [...]
Ein Jahr später hat schließlich Stammbesetzungs-Bassist Ratti aka derHunt den Weg zu Bulbul gefunden und den Anfang vom Ende der Band als One-Man-Show eingeläutet. Gemeinsam mit Andreas "Zan" Gatterbauer am Schlagzeug wurde im Jahr 1999 das "Blaue Album" eingespielt, ein außergewöhnliches Werk, da zur klassischen Rockformation noch die Bläser Martin Zrost, Richard Klammer und Heimo Wallner gestoßen sind, die für zusätzliche Vertracktheit gesorgt haben. Der Bruch mit Gatterbauer sollte allerdings gleich nach der Tour zum Album folgen und der Platz hinterm Schlagzeug somit wieder vakant sein. Die beiden verbliebenen Mitglieder zogen daraufhin zunächst in Erwägung, ganz im Stile von Noiserock-Godfather Steve Albini's Band Big Black, den perkussiven Part einem Drumcomputer zu überantworten, bevor die Wahl schließlich auf DD Kern gefallen ist. Dieser war damals schon für die nicht gerade zärtliche Behandlung der Felle des Fuckhead'schen Schlagzeuges bekannt und macht nun seit 2001 auch für Bulbul gehörig rhythmischen Druck sowie in jedem noch so verrückten Bühnenoutfit eine gute Figur.
Nachdem nun die endgültige und für alle Ewigkeit beizubehaltende Besetzung gefunden war, erfolgte auch eine Neuordnung der songwriterischen Kompetenzen. Die Stücke wurden fortan nicht mehr von Fredl in Eigenregie alleine zu Hause im Kämmerchen konzipiert und den anderen zur Umsetzung fertig vor die Füße geschmissen, sondern es wurde dazu übergegangen, so viel wie möglich, im Kollektiv zu proben, jammen und aufzunehmen – und das wieder und wieder und wieder, in Endlosschleife. [...]
Nach mehr als einem Jahrzehnt des Bestehens, will heißen, mehr als zehn Jahre Eigenheiten und Seltsamkeiten, ausgefallene Bühnenshows, konterkarierende Maskeraden und allem voran, schwer zu packende Klangoffensiven, sind Bulbul, obwohl sie auf ihrer Nummer 6 straighter und mit weniger Gefrickel agieren, nach wie vor schwer zu fassen. Daran haben sie allerdings auch selbst kräftig mitgewirkt: keinem einzigen Tonträger der umfangreichen Diskographie liegen Informationen über die mitwirkenden Musiker, geschweige denn, darüber hinaus gehende Fakten und Angriffsflächen bei. Was zählt, soll einzig und allein die Musik sein, die sich dem Hörer in ihrer ganzen Tiefe und Vielfältigkeit allerdings auch erst nach und nach zu öffnen weiß. Für das nur mal so nebenbei Reinhören sind die Bulbul-Machwerke definitiv die falsche Wahl und auch Hintergrund-Klangtapeten-Konsumenten werden sich an dieser Band die Zähne ausbeißen, respektive die Trommelfelle wundscheuern. Das ist wohl letztendlich auch der Grund, warum Bulbul eigentlich schon immer ziemlich konsequent von den Medien ignoriert wurden."
Michael Masen (2009): Porträt: Bulbul. In: mica-Musikmagazin.
"Raumschiff Engelmayr startete Bulbul 1996 in Wels/Österreich. Verkleidet als Space-indianer erklomm er die Bühne vorerst nur in Begleitung von Drum-Machine, Staubsauger und Stahl-Abfällen, erwarb sich den Ruf des aufregendsten One-Man-Band-Acts weit und breit und machte seiner Solo-Karriere (nach veröffentlichung von zwei LPs und drei EPs) selbst einen Strich durch die Rechnung, indem er fortan das Bulbul-lineup variabel beliess.
Verschiedene Bandformationen, unter anderem inkl. Bläsersektion (Bulhorns - jetzt bei trio exklusiv tätig), führten zur nunmehr seit mehreren Jahren bestehenden Besetzung mit Raumschiff Engelmayr, Derhunt und Ddkern (auch bekannt als Trommler von Fuckhead, Quehenberger). Mit liebevoll gestalteten Tonträgern, absurden Bühnen-outfits und energetischem Sound versetzen die Hörerschaften in Staunen. Sie mögens rauh, obskur und lieb."
- Stilbeschreibung
"Der Stil von Bulbul ist ein unverkennbarer, egal welchen Ton der Dreier auch anschlägt. Ob nun der Punk zelebriert wird, der Hardcore der deftigen Sorte oder eine psychedelische Form des Surfrock – die sehr vielschichtigen und abwechslungsreichen Nummern folgen immer dieser bestimmten Eigenart. Sie haben diesen eigenen Charakter, der eine ganz besondere Stimmung entstehen lässt. Ein Umstand, der vielleicht auch darauf zurückzuführen ist, dass die Beteiligten deutlich experimenteller zu Werke gehen, als viele andere Gitarrenformationen. Den klassischen Songstrukturen folgen Engelmayr und seine Kollegen eher selten, auch lassen sie eine im Rockkontext selten vorzufindende Liebe fürs Detail erkennen."
Michael Ternai (2014): BULBUL On Tour. In: mica-Musikmagazin."Die gängigen musikalischen Schubladen und Formate sind dieser Band schon längst viel zu eng geworden. Bulbul, die wohl interessantesten Vertreter des österreichischen Popundergrounds, interpretieren den Noise-Rock der etwas heftigeren Sorte auf ihre ganz eigene und von allen gängigen Klischees enthobene Art. Hier regieren die Lust am Experiment, sowie der Wille, alle vermeintlichen stilistischen Grenzen zu überwinden. Mastermind Manfred Engelmayr und seine beiden kongenialen Partner Derhunt und DDKern erheben irgendwo zwischen avantgardistisch angehauchtem und hartem Indierock, ohrenbetäubenden Noise und schrägstem Pop agierend, den Bruch mit den Konventionen, wie auch auf dem aktuellen Album „bulbul #6 !$” zu hören, zum kunstvollen Stilmittel des musikalischen Ausdrucks."
Michael Ternai (2012): Bulbul rocken im Rhiz. In: mica-Musikmagazin.- Auszeichnungen
2005 Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten: Förderprogramm "The New Austrian Sound of Music 2006–2007"
- Bandmitglieder
1996–heute Manfred Engelmayr aka Raumschiff Engelmayr (Gitarre, Gesang)
1998–heute Roland Rathmair aka derhunt (Bass, Gesang)
2001–heute Dieter Kern aka Ddkern (Schlagzeug, Gesang)ehemalige Mitglieder
1998–2001 Andreas Gatterbauer aka Zan (Schlagzeug)musikalische Gäste
Mats Gustafsson (Saxophon)
2008 Philipp Quehenberger (Klavier, Synthesizer)
2008 Carla Bozulich (Gesang)
2000, 2008, 2020 Martin Zrost (Saxophon)
2000, 2008, 2020 Richard Klammer aka Richie Glamour (Trompete)
2000, 2002 Heimo Wallner aka Viktor König
2008 Aaron Carl
1998 Karl Kilian (Fagott)- Pressestimmen (Auswahl)
16. September 2020
über: Kodak Dream (Siluh Records, 2020)
"Eine italienische Nudel mit neun Buchstaben? "Fuckeroni". Mit so etwas muss man rechnen, wenn man eine Bulbul-Platte hört. Ein bisserl Teenage-Häuslschmäh geht da immer. Die Wiener Band hat sich in über zwei Jahrzehnten ihres Bestehens den Ruf einer abgedrehten, eher unberechenbaren Combo erspielt. Insofern ist sie so berühmt wie berüchtigt. Ein Songtitel wie Fuckeroni ist da nur ein Zeichen dafür, dass alles gut läuft. So heißt zudem der letzte Song des aktuellen Albums Kodak Dream."
Der Standard: Bulbul: Lustige Nudeln und live in der Wiener Arena (Karl Fluch, 2020), abgerufen am 21.02.2023 [https://www.derstandard.at/story/2000120034311/bulbul-lustige-nudeln-un…]25. März 2014
über: Hirn Fein Hacken (Exile on Mainstream, 2014)
""Hirn fein hacken" bietet viele Momente in denen man als HörerIn nicht genau weiß, auf was man jetzt genau achten soll. Diese Detailverliebtheit drehen Bulbul durch den Fleischwolf und schießen es mit Lichtgeschwindigkeit in die Gehörgänge. Auch wenn die Platte vielleicht nicht als leichte Kost bezeichnet werden kann, ist klar, dass das Trio sein Potenzial wieder bis zum Limit ausgenutzt hat."
mica-Musikmagazin: Bulbul – Hirn fein hacken (Anne-Marie Darok, 2014)17. Juni 2008
über: #6 !$* (Exile on Mainstream, 2008)
"Das neue Album “Bulbul 6” vereint alle wichtigen Trademarks, für welche die Band schon bisher bekannt war. Man kann in der Bewertung sogar so weit gehen, zu sagen, dass der neue Qutput, wohl mit Abstand das Beste ist, was Bulbul seit ihrem Bestehen fabriziert haben. Die Einflüsse sind so breit gesät, dass sich das erstmalige Durchhören der fünfzehn Tracks als eine wahre Entdeckungsreise entpuppt. So kombinieren Bulbul rotzigste Melvins-Gitarrenläufe mit scheppernder Elektronik zu einem grandiosen Noise-Erlebnis, welches in dieser Form recht selten anzutreffen ist. Auf den Punkt gebracht, spielen Bulbul schlicht und einfach laute Rockmusik, die mit elektronischen Versatzstücken ganz ohne Scheuklappen so richtig schräg daherkommt. Unterstützt wurde Bulbul von Patrick Pulsinger, der dem Album eine ungemein dynamische Produktion verpasst hat. Zudem sorgen solch illustre Gäste wie Philipp Quehenberger, Carla Bozulich und Aaron Carl für zusätzliche Abwechslung. Wer also auf Rockmusik mit wirklich originellem Anstrich steht, sollte sich das Konzert im Fluc auf keinen Fall entgehen lassen."
mica-Musikmagazin: Bulbul mit neuer CD (Michael Ternai, 2008)- Diskografie (Auswahl)
2023 Silence!
2022 it's like the earth is angry
2020 Kodak Dream (LP/CD; Siluh Records)
2019 Break! (EP)
2018 Hilfreich seit 1996 (Rock Is Hell )
2015 ZU
2014 Hirn Fein Hacken (DoLP/CD; Rock is Hell)
2013 Wuk Out of Orbit (Single; Rock is Hell)
2010 Higmocht & Heagricht
2008 #6!$* (LP/CD; Rock is Hell / Exile on Mainstream)
2006 BlllBlll (LP/CD, Imvated)
2005 Drabule (12'' EP; Mego)
2005 s/t (5) (Rasputin Records)
2004 Rosl
2004 Drabule
2003 s/t (4) (Trost Records)
2001 Velo
2000 s/t (blaue) (Trost Records)
1998 s/t (eisen) (Trost Records)
1997 s/t (hen) (Trost Records)- Literatur
mica-Archiv: Bulbul
2006 Masen, Michael: 20 Jahre Chelsea – Bulbul / Valina. In: mica-Musikmagazin.
2007 Masen, Michael: BULBUL, Fritz Ostermayer, Sir Tralala, The Thorns im rhiz. In: mica-Musikmagazin.
2008 Ternai, Michael: Bulbul mit neuer CD. In: mica-Musikmagazin.
2008 Deisenberger, Markus: mica-Interview mit Bul Bul. In: mica-Musikmagazin.
2009 Masen, Michael: Porträt: Bulbul. In: mica-Musikmagazin.
2010 Me: Attwenger und BulBul sind Headliner bei Woodstockenboi. In: mica-Musikmagazin.
2012 Ternai, Michael: Bulbul rocken im Rhiz. In: mica-Musikmagazin.
2013 Sonnleitner, Alois: "Hirn fein hacken" – Interview mit Bulbul. In: mica-Musikmagazin.
2014 Darok, Anne-Marie: Bulbul – Hirn fein hacken. In: mica-Musikmagazin.
2014 Darok, Anne-Marie: Wie aus Alltagskatastrophen Musik wird: Bulbul im Interview. In: mica-Musikmagazin.
2014 Ternai, Michael: BULBUL On Tour. In: mica-Musikmagazin.
2023 Plank, Jürgen: "WIR HABEN DEN DINGEN IHREN LAUF GELASSEN UND GESCHAUT, WAS PASSIERT" – FREDL ENGELMAYR VON BULBUL IM MICA-INTERVIEW. In: mica-Musikmagazin.- Quellen/Links
Webseite: Bulbul
austrian music export: Bulbul
Wikipedia: Bulbul
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Bandcamp: Bulbul
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 22. 11. 2023): Bulbul. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/31202 (Abrufdatum: 23. 11. 2024).