Orchestercode: 2/2/2/2 - 2/1/1/1 - 10/10/8/6/4 (oder 8/8/6/4/3)
Flöte (2), Oboe (2), Klarinette (2, in A), Fagott (2), Horn (2), Trompete (1, in C), Posaune (1), Tuba (1), Violine (20), Viola (8), Violoncello (6), Kontrabass (4)
Bezugsquelle: Universal Edition
Paritur Vorschau und Hörbeispiel: Universal Edition
Manuskript (Autograf): Archiv der Zeitgenossen
Ansichtsexemplar: Österreichische Nationalbibliothek
Ansichtsexemplar: mdw - Universitätsbibliothek
Abschnitte/Sätze
1. Energisch (Energic) | 2. Ruhig, aber nicht schleppend (Calm, but not sluggish) | 3. Stürmisch zupackend (Passionately vigorous)
Beschreibung
"Nach der Arbeit mit einer von allen traditionellen Formulierungen freien, oft clusterartigen Klangsprache ist nicht nur bei mir, sondern auch bei anderen Komponisten ein Bedürfnis nach Differenzierung im Feld der Harmonik, des Melos und - zuletzt - auch der Rhythmik spürbar geworden. Mir war bald bewusst, dass jede weitere Bewegung in dieser Richtung unweigerlich zu einer intensiveren Berührung mit der Tradition führen musste. Werke seit der Mitte der sechziger Jahre schleusen oft mit ihr Verwandtes in die grundlegenden Denkmodelle der späten fünfziger Jahre ein. Mein Bedürfnis war es, diese Denkmodelle zunächst ganz zu verlassen und Bezüge zu traditionsgebundenem Material, die angesichts bestimmter Gestaltungsintentionen zu verschleiern, aber nicht grundsätzlich zu umgehen sind, betont aufzusuchen. In den Regressen der „Exercises" (1962 - 67) habe ich zum ersten Mal gleichsam „den Stier bei den Hörnern gepackt" und traditionsgebundene Formulierungen direkt angesprochen. In einigen folgenden Werken habe ich dann dieses Verfahren fortgesetzt, dabei aber bewusst stark wechselnde, stilistisch deutlich ortbare Positionen bezogen, wobei es mich auch gereizt hat, verwandte Aufgaben von stilistisch weit voneinander entfernten Punkten her anzugehen. Ist in „Curriculum" (1971/72) etliches an Grundvorstellungen aus dem Neoklassizismus herzuleiten, so weist die Sinfonie (1975) in drei Sätzen auf die Wiener Schule und dort am ehesten auf die klassizistische Attitüde im Spätwerk Weberns hin. In beiden Fällen hat es mich aber interessiert, mich neuerlich auf motivisch-thematische Beziehungen zu konzentrieren, die im melodischen Bereich ein Maximum an komplexen Differenzierungsvorgängen erlauben.
War in „Fasce" (1959) und den „Spiegeln" (1960/61) das melodische Element so gut wie ausgeklammert, so wird melodisches Gestalten in der Sinfonie zur obersten Maxime kompositorischen Strukturierens. Es gibt nicht Haupt- und Nebenstimmen, nichts ist nur Begleitung; jeder Ton ist thematisch. Ein Hauptaugenmerk war darauf gerichtet, die thematischen Gestalten so zu verzahnen, dass - unter Ausklammerung dodekaphonischer Konstruktion - in sich logische harmonische Verläufe entstehen. Selbstverständlich hat eine solche Konzeption nur dadurch Sinn, dass zwischen den melodischen Gestalten enge Verwandtschaften bestehen und im Hören der Variantenreichtum klar erkennbar wird. Dazu tragen einfache, starke, wenig vermischte Instrumentalfarben bei. Das Orchester ist im Gegensatz zu den „Spiegeln" abgesehen von Posaunen und Tuba ein Haydn-Orchester mit zweifachem Holz, zwei Hörnern, Trompete und Streichern. Pauken und Schlagzeug fehlen völlig. Die Sinfonie ist ein Werk von absolut klassischer Formgebung. Sie stellt in meinem Gesamtwerk die extreme Gegenposition zu den „Spiegeln" dar. Insgesamt hat mein Weg in den späten sechziger- und frühen siebziger Jahren, der durch keinen intellektuellen Exkurs?zu ersetzen gewesen wäre, keinen neuen Stil gebracht; er hat mich aber gelehrt, was bestimmte Materialkonstellationen prinzipiell herzugeben imstande sind. In meiner Oper Baal hoffe ich dann eine alle meine Bestrebungen und Erfahrungen einbegreifende, so vielfältige wie organische Sprachwelt erreicht zu haben."
Friedrich Cerha (Werkeinführung, Universal Edition), abgerufen am 31.03.2021 [https://www.universaledition.com/friedrich-cerha-130/werke/sinfonie-4699]
Auftrag: Festival international d'art contemporain de Royan
Widmung: Irina Cerha
Uraufführung
25. März 1976
Veranstalter: Festival international d'art contemporain de Royan
Mitwirkende: Orchestre philharmonique des pays de la Loire, Friedrich Cerha (Dirigent)
Aufnahme
Titel: Neue Musik aus Österreich 4
Label: ORF - Edition Zeitton
Mitwirkende: ORF Radio Symphonieorchester Wien, Dennis Russell Davies (Dirigent)
Aufnahme
Titel: Friedrich Cerha (*1926): Sinfonie (1975)
Plattform: YouTube
Herausgeber: Thorsten Gubatz
Datum: 29.12.2017
Mitwirkende: ORF Radio Symphonieorchester Wien, Dennis Russell Davies (Dirigent)
Weitere Informationen: Aufnahme im 2002
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 8. 3. 2023): Cerha Friedrich . Sinfonie. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/124172 (Abrufdatum: 22. 12. 2024).