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Hymnus

Werktitel
Hymnus
Untertitel
Für Orchester
Opus Nummer
WV 129
Komponist:in
Entstehungsjahr
2000
Dauer
24m
Genre(s)
Neue Musik
Gattung(en)
Orchestermusik
Besetzung
Orchester
Besetzungsdetails

Orchestercode: 4/4/3, BKlar/3, KFg - 6/4/4/1 - 4 Perc - 16/14/12/10/8

Flöte (4), Oboe (4), Klarinette (5, in A), Fagott (4), Kontrafagott (1), Horn (6), Trompete (4, in C), Posaune (4), Tuba (1), Perkussion (4), Violine (30), Viola (12), Violoncello (10), Kontrabass (8)

ad Flöte: Alle 4 auch Piccolflöte
ad Klarinette: 5. auch Bassklarinette

Art der Publikation
Verlag
Titel der Veröffentlichung
Friedrich Cerha: Hymnus
Verlag/Verleger

Bezugsquelle: Universal Edition
Partitur-Preview und Hörbeispiel: Universal Edition
Manuskript (Autograf): Archiv der Zeitgenossen
Ansichtsexemplar: Österreichische Nationalbibliothek
Ansichtsexemplar: mdw - Universitätsbibliothek

Beschreibung
"Das Werk nimmt Anregungen aus dem gregorianischen Choral auf, die einen bestimmten Charakter des ruhig-Fließenden betreffen, in dem sich aber gleichwohl Klangmassierungen entwickeln, die auch dem gegenwärtigen Begriff des 'Hymnischen' entsprechen. Obertonverstärkungen durch die Instrumentation sowie Nachhallklänge und Echowirkungen spielen darin eine bedeutende Rolle. Wie in den Hymnen des 15. und 16. Jahrhunderts zieht sich ein Rückgrat ein Cantus firmus durch das ganze Stück. Hier ist es eine 13-tönige Reihe, die in ihrer Grundform oder in Ableitungen – oft unhörbar – hauptsächlich in der Mitte des Satzes eingebettet ist. Rudimente dieser Reihe sind besonders im ersten Abschnitt in allen Stimmen zu finden. Die Grundlage der Vorgänge ist ein eigentlich einfacher dreistimmiger, in der Mitte des Stückes vierstimmiger Satz. Im ersten großen Abschnitt werden ganz allmählich die Obertöne jedes einzelnen Tones instrumentiert und zwar bis zum elften. Die besonders nicht in unser temperiertes System passenden Obertöne sieben und elf werden durch Erniedrigungszeichen, wie sie in der Vierteltonnotation üblich sind, notiert und damit den physikalischen Verhältnissen angenähert. Durch rasch wechselnde Instrumentation des Obertonspektrums wird jeweils ein Obertonbereich angehoben, ein anderer unterdrückt. Am Höhepunkt des ersten Teils entstehen so drei mal elf, also 33-stimmige Akkorde.

Ein anderes Phänomen, das für die Klanglichkeit des Stückes verantwortlich ist, ist der komponierte Nachhall. Ein Ton verschwindet nicht mit dem Eintritt des nächsten einer Stimme in einem anderen Instrument, sondern bleibt hängen und wird nur langsam mit einem diminuendo ausgeblendet. Am Anfang ist die Nachhallzeit am größten, wird mit dem Eintritt der anderen Stimmen und der Obertöne zunehmend kleiner und verschwindet schließlich ganz, etwa beim Eintritt des siebten Obertons. Eine Annäherung an die Klanglichkeit in einer ungeheuren gotischen Hallenkirche wird angestrebt. Am erwähnten Höhepunkt des ersten Teils zerbricht der Klang auf dramatische Art, in raschen Figuren stürzen die Obertöne des ganzen Gefüges nach unten und münden auf dem Grundton f. Darüber fächern die Violinen ins saltando-Tonverdopplungen hintereinander und übereinander in sechs verschiedenen Metren die Obertöne bis zum elften auf. Posaunen und dann die Hörner im Krebs beginnen deutlich hörbar mit dem Cantus firmus noch unter dem saltando der Geigen einen neuen Abschnitt, in dem sich allmählich über dem vierstimmigen Satz – zunächst wieder mit Verhallungen – das Obertongebäude konstituiert. Das fortissimo des vierundzwanzigtönigen (vier mal elf) Satzes wird immer wieder zerschnitten von gehaltenen Echoakkorden im pianissimo, die wechselnden Ausschnitte des Obertonspektrums bevorzugen einmal die ungeradzahligen, dann wieder die geradzahligen.

Im letzten Abschnitt baut sich der vielstimmige fortissimo-Satz langsam ab; vorübergehend reduziert sich das Spektrum auf den scharfen zungenstimmigen Klang des ungeradzahlngen Obertonspektrums und wechselt dann langsam auf den weicheren Klang der geradzahligen Obertöne über. Mit der Reduktion auf die ersten sechs, in anderen Stimmen noch sieben Obertöne beginnt wie im ersten Abschnitt ein künstlicher Nachhall sich aufzubauen, der mit dem weiteren Reduzieren der Obertöne kontinuierlich länger wird. Am Schluss bauen sich auch die Stimmen ab und das Stück mündet pianissimo in die Einstimmigkeit, wobei der Nachhall seine größte Ausdehnung erreicht. Wie festgestellt ist der Charakter des ruhig- Fließenden vorherrschend, wie er auch dem gregorianischen Choral eigen ist. Es fehlt völlig die nervöse Hektik von vieler zeitgenössischer Musik und es gibt fast kein Schlagzeug.

Hymnus: Lobgesang auf die Obertöne, die Basis all unseres Musizierens?"
Friedrich Cerha (Werkeinführung, Universal Edition), abgerufen am 23.03.2021 [https://www.universaledition.com/friedrich-cerha-130/werke/hymnus-7760]

Weitere Informationen: cerha-online.com

Auftrag: Konzerthaus Berlin

Uraufführung
8. Februar 2002 - Konzerthaus Berlin (Deutschland)
Mitwirkende: Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Eliahu Inbal (Dirigent)

Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 1. 3. 2023): Cerha Friedrich . Hymnus. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/140324 (Abrufdatum: 28. 3. 2024).