Flöte (1), Klarinette (1), Fagott (1), Horn (1), Violine (1), Viola (1), Violoncello (1), Kontrabass (1)
6 Teile und Coda
Stilbeschreibung:
Ursprüngliche ist Tai-Jih eine traditionelle chinesische Philosophie, die in vielen Bereichen der Kunst und Wissenschaft vorkommt, charakterisiert durch die Einteilung in "Yin" und "Yang". Die beiden Begriffe entstammen dem Taoismus. In der uralten philosophischen Literatur, dem sogenannten "Yi-Jing", finden sich Erklärungen dazu: "Alle Sachen, Dinge bzw. Lebewesen im Universum haben ihr eigenes Tai-Jih, in dem Yin und Yang ausgewogen kombiniert sind. Sie sind nicht isoliert voneinander, sondern nur in der Relation zueinander zu verstehen. Betrachtet man dieses bekannte Zeichen genauer, wird man feststellen, dass in dem Augenblick, in dem Yang an den Höhepunkt gelangt ist, schon das Vorzeichen des Yins aufscheint. Nimmt Yin allmählich zu, tritt Yang zunehmend in den Hintergrund und umgekehrt..." In Anlehnung an dieses uralte Wissen, versuchte ich das Stück zu komponieren. Es besteht aus insgesamt sechs Teilen und einer Coda. Die sechs Teile, die ich in Yin und Yang unterteilt habe, verlaufen als Tai-Jih-Prozess. Im Unterschied zu anderen Prozessen in der Musik ist der Tai-Jih-Prozess von einem völlig konträren Charakter geprägt. Jeder Teil hat ein eigenes Kernmotiv und darüber hinaus Teile, die sich immer weiter entwickeln. Genauso wie der Punkt dieses chinesischen Zeichens den bevorstehenden Wechsel zwischen Yin und Yang ankündigt, sind bestimmte Töne oder neues Material in meinem Stück Vorboten des nachfolgenden Teiles. Bis zum Höhepunkt des aktuellen Teils werden die Materialien, die im jeweils nachfolgenden Teil verwendet werden, auf diese Weise gekennzeichnet, und symbolisieren somit den Punkt des Yin-Yang-Zeichens. Diese neue musikalische Welt kontrastiert das vorangegangene Material; trotzdem stören beide den Prozess nicht und werden als neue Kombination bzw. Variante im nächsten Teil eingesetzt. Der einzige Kontrast, den man deutlich bemerken kann, ist das Ende des Yangs (dritter Teil) und der Anfang des Yins (vierter Teil). Das in sich harmonische Gerüst des Yangs, welches aus verschiedenen harmonischen Akkorden besteht, bleibt während des Yins nicht mehr bestehen. Stattdessen tritt während der Yin-Phase der rhythmische Aspekt in den Vordergrund, der quasi als ein Zeitnetz zu verstehen ist. Die Quart und deren Umkehrung Quint spielen eine große Rolle in diesem Stück. Diese beiden Intervalle sind besonders bei den harmonischen Akkorden immer wieder vertreten. Am Anfang des Stückes beginnt das Prozess mit einer grundständigen Tongruppe, also c', g', d' und f', die tatsächlich von drei Quarten (f'', c'', g', d') organisiert wird. Diese Gruppe wird mit den Tönen, die ohne Vorzeichen sind, weiter entwickelt und vergrößert. Das "fis", das der erste Ton mit Vorzeichen ist, führt den zweiten Teil an. Im zweiten Teil sind alle chromatische Töne verwendet, in allen der acht Stimmen, um die Harmonie weiterzuentwickeln. Das viertel-tiefere c'''' steht am Ende des zweiten Teils als Vorzeichen des dritten Teils, und leitet die anderen Viertel-Töne, welche im folgenden dritten Teil die Grundlage der harmonische Entwicklung sind. Die "individuelle Entscheidung der Tondauern" aller MusikerInnen ist schließlich der neue Aspekt im dritten Teil. Die MusikerInnen können sich selbst entscheiden, zu welchem Zeitpunkt sie die Strichlinien ausführen wollen. Erst in den normalen Linien müssen alle MusikerInnen genau spielen. Nach den langen harmonischen Feldern - so genannten "Yangs" - kommt das rhythmische Zeitnetz als die erste Phrase des Yins. In diesem Teil habe ich die Töne vom letzten harmonischen Gerüst des ersten Teils übernommen und den rhythmischen Aspekt mit einer Fibonacci-Reihe versucht zu verdeutlichen, welche ich vorher als Tonfolge der Akkorde verwendet habe. Alle MusikerInnen spielen im Tempo "Senza misura" die eigene Stimme mit dem eigenen zeitlichen Gefühl bzw. eigener Phrasierung. Die Differenzierungen zwischen den
Klanginstallation in Verbindung mit chinesischen philosophischen Gedanken; der Originaltitel enthält chinesische Schriftzeichen, die zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht dargestellt werden können (August 2007)
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 1. 3. 2020): Lee Wen-Cheh . Tai-Jih. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/150342 (Abrufdatum: 22. 11. 2024).