Was TIMBRE besonders kennzeichnet, ist, dass vier Menschen, die einander lange und gut kennen, mehrmals im Jahr von weit her (Wien - Berlin - Tübingen - Graz) zusammenkommen, um gemeinsam zu improvisieren. Die Basis ist dabei das gemeinsame Aufwärmen, musikalisch oft sehr abstrakte übungen technischer Natur und das freie Singen. Situationen und musikalische Strukturen werden sehr genau geprobt, besprochen, diskutiert, um dann beim Konzert das Geprobte gewissermaßen zu vergessen und frei zu musizieren; frei im Wissen um einander, um gemeinsam Geprobtes und Er-Improvisiertes, um formale und andere ästhetische Kriterien. Da wir einander bei unseren Treffen jedesmal wieder neu kennen lernen und seit dem letzten Mal jede/r wieder jemand ganz andere/r geworden ist, wird bei aller so wertvollen Kontinuität jedes Konzert eine neue Entdeckungsreise und auch für uns unerhört.
Die Ursprünge des Vokalensembles TIMBRE reichen zurück bis ins Jahr 1986. Damals wurde Lauren Newton als Gastprofessorin für Jazzgesang an die Musikhochschule Graz berufen. Beim gemeinsamen Improvisieren kristallisierte sich bald ein Quartett heraus, das unter dem Namen VOC4 im Juni 1988 die ersten Konzerte gab und im Frühjahr 1989 eine österreich-Tournee absolvierte. Nach dem Ausscheiden der Sängerin Irene S. kam Elisabeth Tuchmann zur Gruppe, die sich seither TIMBRE nennt. Es folgten Konzerte in Deutschland, der Schweiz und Österreich, u.a. bei den Jazzfestivals Greifswald und Leipzig (gemeinsam mit dem Organisten Markus Zaja)1995, sowie bei den Hörgängen im Wiener Konzerthaus. Als Gäste der Gruppe "Choral-Concert" wirkte TIMBRE bei Konzerten und der CD "passion" (St. Petri Dom, Schleswig, Juni 1994, Klangräume CD 30160) mit. Die eigene CD TIMBRE (Leo Records, London, CD LR 221) wurde 1993 und 1994 in der Basilika Mariazell und in der Pfarrkirche St. Veit/Graz aufgenommen. Im Mai 1997 trat TIMBRE beim renommierten Festival VOICES! in Innsbruck auf. Bei der Uraufführung der Kantate B.A.CH. von Christoph Cech (für Soli, Chor, 10 Blechbläser, 2 E-Gitarren, 4 Perkussionisten und Orgel) im Dom St.Pölten im September 1997 interpretierte TIMBRE den Part des improvisierenden Vokalquartetts. Im Mai 1998 war TIMBRE im Rahmen eines Stipendiums von der Int. Paul Hofhaymer Gesellschaft geladen, sich improvisatorisch mit Vokalsätzen Paulus Hofhaymers (1459-1537) und Heinrich Isaaks (1450-1517) auseinanderzusetzen. Nach dem Konzert in der Schloßkirche Mirabell, Salzburg, wurde eine weiterführende, vertiefende Zusammenarbeit beschlossen. März 1999 kam es zu einem Zusammentreffen mit Ernst Jandl im RadioKulturhaus Wien.
weitere Aktivitäten:
- Oktober 1999: Mitwirkung bei CapeTown Traveller, einem Projekt der Leipziger Jazztage (Konzept: Bert Noglik) in der Leipziger Oper mit und über Abdullah Ibrahim / Dollar Brand
- Juli 2000: Festival BACH 2000, Leipzig, Thomaskirche. styriarte 2000 (Landpartie, Oberwölz): MTRPLS, Musik zu Fragmenten des Stummfilmklassikers "Metropolis" von Fritz Lang ( mit dem Perkussionisten Uli Soyka).
- Oktober 2000: Yokohama Jazz Promenade, Japan-Tournee
- Oktober 2001: CD-Aufnahmen im Studio DRS, Zürich. Gäste: Joëlle Léandre (b, voc), Fritz Hauser (dr), Urs Leimgruber (sax).
- November 2002: "Aus vollem Hals" - Kinderkonzert beim Hessischen Rundfunk, Frankfurt
Band/Ensemble Mitglied
Mütter Bertl (Stimme, Posaune)
weitere Besetzung:
- Lauren Newton - Stimme
- Elisabeth Tuchmann - Stimme
- Oskar Mörth - Stimme
Stilbeschreibung:
Wer singt, folgt dem Drang zur Mitteilung. TIMBRE bezieht sich auf die ursprünglichste Form menschlicher Außerung, die vokale Verlautbarung. Dabei schließt die Gruppe Erfahrungen ein, die einen Bogen von der Archaik bis zur Avantgarde spannen.
TIMBRE konzentriert sich auf die Kraft des Spontanen, läßt Raum für das Unerwartete, das Unerhörte und weiß doch zugleich das Unmittelbare und Zufallende in Struktur zu verwandeln. Das setzt Gemeinsamkeit voraus, mentales Einschwingen in einen kollektiv gestalteten Klangraum wie auch eine Geschichte gemeinsamen Weges. Und es bedarf der Fähigkeit, sich im Prozeß des Singens auf das Plötzliche einzulassen, um sich selbst ebenso wie das Publikum überrraschen zu können.
TIMBRE integriert ein weites Spektrum vokaler Traditionen: von der europäischen Klassik bis zur zeitgenössischen Klangkunst, von der Alten Musik bis zum Jazz, von ethnischen überlieferungen unterschiedlicher Kulturen bis zur freien, nicht mehr an einen Stil oder an ein Idiom gebundenen Improvisation. Insofern weist das Quartett TIMBRE [...] noch über Ensembles wie "vocal summit", die im Jazz außerordentlich innovativ gewirkt haben, hinaus. Es geht nicht mehr darum, Instrumente zu imitieren (obwohl auch das vorkommen kann); die Stimmen selbst werden zum Instrument.
Die unverwechselbare Eigenart der Vier äußert sich in Sologesängen, spannungsreichen Dialogen, wechselvollen Austauschprozessen und führt immer wieder zu ungeahnten vokalen Potenzierungen. Die Bewegung der Singenden findet ihre Entsprechung im Raum- und Körperklang. Im Prozeß der Improvisation inszenieren die Stimmen sich selbst.
Die vokale äußerung erstreckt sich bei TIMBRE vom Summen bis zum Singen, vom Flüstern bis zum Schrei, von Kehlkopflauten bis zu Vokalisen, von bodenständigen Geräuschen bis zu sphärischen Obertongesängen, vom abstrakten Sound bis zum Spiel mit Silben, Worten und Assoziationsketten, von der Lust und dem Lustigen bis zu existenzieller Ernsthaftigkeit, vom Hingehauchten bis zum Hinausposaunten, vom Stöhnen bis zum Jubilieren, vom Jammern bis zum Jauchzen, von der auf den Klang konzentrierten Meditation bis zur expressiven Geste. Das ganze Spektrum menschlicher Emotionen wird vokal ausgelotet. Und für das was sich nicht sagen und singen läßt, besinnt sich TIMBRE auf ein allzu oft vernachlässigtes Element: die Stille.
Diskographie:
- 2003: Timbreplus - plus Fritz Hauser, Joëlle Léandre, Urs Leimgruber (Austro Mechana)
- 1995: Timbre (Leo Records)
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 23. 2. 2020): Timbre. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/30778 (Abrufdatum: 3. 12. 2024).