eme-r-gen-ti-a

Werktitel
eme-r-gen-ti-a
Untertitel
Für Solo Klarinette und Ensemble
KomponistIn
Entstehungsjahr
2019
Dauer
17m
Genre(s)
Neue Musik
Gattung(en)
Ensemblemusik
Besetzung
Soloinstrument(e)
Kammerorchester/Ensemble
Besetzungsdetails

Orchestercode: Kl - 1/1/1/1 - 1/1/1/0 - 1 Perc, 1 Hf, 1 Pf - 1/1/1/1/1
Solo: Klarinette (1)
Flöte (1), Oboe (1), Klarinette (1), Fagott (1), Horn (1), Trompete (1, in C), Posaune (1), Perkussion (1), Harfe (1), Klavier (1), Violine (2), Viola (1), Violoncello (1), Kontrabass (1)

Art der Publikation
Manuskript

PDF-Preview (Partiturausschnitte): Thomas Wally (Homepage)
Hörbeispiel: Thomas Wally (Homepage)

Beschreibung
"eme-r-gen-ti-a (2019) für B-Klarinette und 15 Instrumente entstand aus dem Wunsch, die in Soliloquy für B-Klarinette Solo (2012) erarbeiteten Ideen in einen größeren klanglichen Kontext einzubetten. Sowie auch schon in früheren Werken für ein Soloinstrument und Ensemble handelt es sich hier nicht wirklich um ein Solo-Konzert, da das Soloinstrument eher die Rolle eines roten Fadens, quasi eines primus‘ inter pares innehat. Die Einbettung harmonischer Mikrostrukturen der Klarinette in den gesamten Ensembleapparat umfassende Makrostrukturen ist leicht erklärt; ein spezielles harmonisches Phänomen der Klarinette, zum Beispiel ein bestimmter Multiphonic, wird durch Multiplikation zu einem mehrere Oktaven umfassenden Akkordgebilde. Für den größten Teil dieser Akkordgebilde ist die Wiederholung einer speziellen Intervallstruktur typisch. Zu Beginn des Werkes herrschen die von mir sogenannten Zweiintervallakkorde vor. Diese Zweiintervallakkorde entstehen aus der alternierenden Schichtung zweier unterschiedlicher Intervalle. Dadurch, dass immer dieselben zwei Intervalle übereinander gesetzt werden, kommt eine weitere harmonische Farbe zum Tragen: die Summe dieser beiden Intervalle. (Ein Beispiel: schichte ich alternierend die kleine Sext und die kleine Terz übereinander, so ist die Summe dieser beiden Intervalle die große Sept, welche als drittes Intervall den Gesamtklang entscheidend mitbestimmt.) Aus jedem dieser Zweiintervallakkorde wird ein mikrotonaler Nebenakkord abgeleitet, dessen Töne durch die exakte Teilung der einzelnen Intervalle gewonnen werden. Im Laufe des Stückes nimmt die Struktur der Akkorde an Komplexität zu. Der Höhepunkt des Stückes besteht schließlich aus einem Zwölftonakkord, der aus zehn unterschiedlichen Intervallen besteht. Alles, was in der Klarinette zu hören ist, ist Bestandteil dieser Makroharmonien, welche eben aus den Mikrostrukturen der Klarinette abgeleitet sind. Neben den Multiphonics spielt eine andere besondere Eigenart der Klarinette eine wichtige Rolle: durch die Anwendung der Trillerklappen auf Bereiche, für die diese Trillerklappen ursprünglich nicht gebaut wurden, entstehen vielfältige mikrotonale Tremolo-Möglichkeiten, welche in eme-r-gen-ti-a eine Art Scherzo-Teil bestimmen.

In den Monaten vor Kompositionsbeginn hatte ich mich ein wenig mit Systemtheorie auseinandergesetzt. Für den Titel schwebte mir ein systemtheoretischer Begriff vor, der eben die Einbettung einer kleineren Struktur in eine größere Struktur ausdrücken sollte, da, wie gerade besprochen, viele Mikrostrukturen der Klarinette in dem Ensemblestück horizontal und vertikal Teil einer größeren Makrostruktur werden. Meine Wahl fiel schließlich auf den Begriff der Emergenz, den ich in dem von Günter Ropohl verfassten Buch Allgemeine Systemtheorie. Einführung in transdisziplinäres Denken (Berlin 2012) kennengelernt hatte. Hierzu schreibt Ropohl Folgendes: „Allerdings mag eine wirkliche Ganzheit Eigenschaften zeigen, die nicht allein aus den Teilen zu erklären sind, und es gibt das sogar empirisch zu beobachtende Phänomen, dass Teile, wenn sie in eine Ganzheit eingegangen sind, ihre Eigenschaften und Verhaltensweisen ändern. Diesen Umstand bezeichnet man heute gelegentlich, ohne jede metaphysische Spekulation, als ʻEmergenzʻ.“ (S.45) Anhand eines Wartezimmers einer Arztpraxis, in dem die Wartenden ins Gespräch kommen, zeigt Ropohl, „wie eine Systemgemeinschaft aus den wechselseitigen Beziehungen zwischen den Systemteilen hervorgeht.“ (S.78) Diese Vorstellung, dass durch zirkulärkausale Wirkungen zwischen einzelnen Systemelementen Eigenschaften entstehen, die nicht allein aus den Eigenschaften der Systemteile erklärbar sind, fand ich ungemein passend für ein Ensemblewerk. Bis zu einem gewissen Grad ist dieses Phänomen im Titel ausgedrückt. Durch das Zusammenwirken einzelner Buchstaben bzw. Silben (die teils falsche Silbentrennung ist Absicht!) entsteht ein Wort, dessen Bedeutung nicht aus den einzelnen Buchstaben und Silben ableitbar ist.

eme-r-gen-ti-a ist der Klarinettistin der Uraufführung, Theresia Schmidinger, welche auch schon das ältere Stücke für Klarinette Solo zum ersten Mal zum Erklingen brachte, gewidmet."
Werkeinführung, Thomas Wally, abgerufen am 03.11.2021 [http://www.thomaswally.com/assets/eme-r-gen-ti-a2.pdf]

Widmung: Theresia Schmidinger

Uraufführung
26. Juni 2019 - Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Joseph Haydn-Saal
Mitwirkende: Theresia Schmidinger (Solo-Klarinette), Studierende der Wiener Musikuniversität; Jaime Wolfson (Dirigent)