Die Komponistin und Klavierpädagogin Mayer Lise Maria wurde am 22. Mai 1894 in Wien geboren und verstarb ebenfalls in Wien am 13. März 1968.
Lise Maria Mayer erhielt ihre erste systematische Unterweisung in das Klavierspiel bei Vera Schapira und Richard Robert. Dem folgten musiktheoretische Studien bei Josef B. Foerster und Riccardo Stöhr, ehe Lise Maria Mayer die Kapellmeisterschule unter Franz Schalk an der Akademie für Musik und darstellende Kunst Wien besuchte und abschloss.
Bereits in jungen Jahren wurde ihr von Presse und Kritikern eine außerordentliche Begabung für die Komposition von Orchesterliedern und von Liedern mit Klavierbegleitung konstatiert. Ihr Œuvre umfasst nahezu alle Gattungen der Vokal- und Instrumentalkomposition. Weiters komponierte sie eine symphonische Dichtung unter dem Titel "Kokain", deren Uraufführung 1928 unter eigenem Dirigat in Wien mit erfreulichen Kritiken aufgenommen wurde. Eine weitere Aufführung 1929 in Berlin, ebenfalls unter eigenem Dirigat, wurde allerdings von einem gesellschaftlichen Skandal berührt.
Verena Platzer & Nicola Benz (2024)
- Stilbeschreibung
"Zeitgenoss*innen charakterisierten ihren Kompositionsstil als melodisch einfallsreich sowie von solidem Aufbau des thematischen Materials, wirksamer Orchestrierung und einer farbenreichen Harmonik mit kühnen Modulationen geprägt. Das Klavierlied dominierte ihr ca. 50 Werke umfassendes Schaffen, mit dem Orchesterlied reüssierte sie. Sie galt als erste Dirigentin größerer Orchester Wiens; die Kritiker waren sich bezüglich ihres Dirigats allerdings nicht einig: Zumeist wurde sie als sichere und besonnene Leiterin wahrgenommen, vereinzelte Stimmen widersprachen dieser Meinung."
Mayer (verh. Gaberle), Lise Maria (geb. Elise; E. Maria, Lisa M.). In: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 18.12.2023, abgerufen am 05.09.2024 [https://dx.doi.org/10.1553/0x003eb005]- Ausbildung
Wien: Privatunterricht Klavier (Vera Schapira, Richard Robert), Musiktheorie (Riccardo Stöhr, Josef B. Foerster)
1916–1918 k.k. Akademie für Musik und darstellende Kunst, Wien: Kontrapunkt (Franz Schreker), Dirigieren (Franz Schalk) - Reifeprüfung ohne Reifezeugnis
1923–1924 Musikakademie Wien: Gesang (Irene Schlemmer-Ambros)- Tätigkeiten
1913–1920 Musikverein Wien: zahlreiche Aufführungen ihrer Werke
1914–1925 Wiener Konzerthaus: zahlreiche Aufführungen ihrer Werke
1914–1938 AKM – Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger: ordentliches Mitglied
1920 Musikverein Wien: Debüt als Dirigentin
1926–1933 Neues Wiener Konservatorium: Pädagogin (Klavier)
1945–1968 AKM Autoren, Komponisten und Musikverleger: Mitglied
1946–1948 Konservatorium der Stadt Wien: Pädagogin (Klavier)
1948–1949 Wien: Privatlehrerin (Klavier, Musiktheorie, Kammermusikspiel, Gesangskorrepetition)Verein der Musiklehrerinnen / Klub der Wiener Musikerinnen, Wien: Mitglied
Schüler:innen (Auswahl)
Hans Knast, Lucy Gelber- Aufführungen (Auswahl)
1924 Gertrud Bodenwieser (Tanz), Lise Maria Mayer (pf), Wiener Konzerthaus: Dämon Maschine (UA)
1928 Wiener Symphonieorchester, Lise Maria Mayer (dir), Musikverein Wien: Kokain (UA)
1929 Berliner Philharmoniker, Lise Maria Mayer (dir), Berlin (Deutschland): Kokain- Pressestimmen (Auswahl)
03. April 1928
"Eine Dirigentin auf dem Konzertpodium ist eine Seltenheit. Lise Maria Mayer, auch schon als Komponistin bekannt, wagt den Versuch, Beethovens Zweite Symphonie, vom Symphonieorchester unter ihrer sicheren und besonnenen Leitung ausgeführt, bewahrte Rhythmik, Präzision und dynamische Lichtverteilung in bemerkenswerter Treue. Die junge Musikerin, eine sympathische, ernste Erscheinung, machte keineswegs den Eindruck der Extravaganz; sie musiziert mit schönem, ganz der Sache hingegebenem Eifer. Das wirkungsvolle Klavierkonzert von Rachmamnow fand die junge, reizende Lucy Gelber als perfekte Virtuosin am Flügel. Die üppige Melodik dieses Konzertes, passagenumrauscht, akkordgetragen, wurde mit Bravour vorgetragen. Der letzte Satz mit seinen rhythmischen Schwierigkeiten versetzte freilich beide Damen, die ja noch Novizen auf dem Podium sind, in Bedrängnis [...]. Eine eigene Komposition von Lise Maria Mayer mit dem sensationellen Titel "Kokain" ist eine symphonische Dichtung moderner, doch nicht allzu moderner Faktur und beweist jedenfalls die gute kompositionstechnische Schulung der begabten Frau."
Neues Wiener Journal 36. Jg./Nr. 12343: Theater und Kunst, S. 11, online abrufbar unter: ANNO Historische Zeitungen und Zeitschriften: https://anno.onb.ac.at/01. April 1928
"Tags darauf stand vor dem Symphonie-Orchester dis Komponistin Lise Maria Mayer, die schon vor Jahren einmal als Dirigentin der Vierten Symphonie von Mahler hervorgetreten ist. Man war anfangs ein wenig frappiert, eine Frau am Dirigentenpult zu sehen, man freute sich ein wenig des Ungewöhnlichen. Aber das Dirigieren ist ein so innerlicher Beruf, daß die Freude am Äußerlichen eigentlich nicht völlig genügt. Frau Mayer dirigierte, von der großen Routine des Orchesters wirksam unterstützt, die Zweite Symphonie von Beethoven. Dann begleitete sie mit dem Orchester das Klavierkonzert von Rachmaninoff, das ihre entzückend ausehende Schülerin Lucy Gelber mit noch kleinem Ton, aber mit warm gesungener Kantilene spielte. Den Beschluß bildete die Uraufführung der einsätzigen Symphonie "Kokain" von Lise Maria Mayer, von der Komponistin persönlich geleitet. Es ist dies eine Art Programmusik, die die gesteigerten Seelenzustände während eines Kokainrausches zu schildern sucht. Zu Beginn fahle Dämmerstimmung, nicht unwirksam durch vielfach geteilte Streicherklänge, parallele Quintenführungen in den Bläsern festgelegt, aus der sich das etwas blasse Hauptthema im Horn herausringt. Nach einer klanglich und in der Instrumentation nicht ungeschickten, jedoch allzu monotonen symphonischen Durchführung, in der auch polytonale Akkordverbindungen vorkommen, tritt im Anschluß an eine gedrängte Reprise eine kontrastierende Jazzmusik - Saxophon und Banjo isoliert postiert - ein. (Der Kokainist muß auch seine erotische Phase durchmachen.) Wenn dies vorüber ist, beginnt seine Periode der unerhört gesteigerten Geisteskraft. Also setzt, in der Umkehrung des Hauptthemas gebildet, ein Fugenthema ein, in das noch leise Jazzreminiszenzen hineinklingen. Die Fuge ist nach allen schulgerechten Regeln, mit allen kontrapunktischen Künsten durchgeführt und geht in die rückläufig behandelte Thematik der Einleitung über. Der Rausch ist zu Ende. Aber die gar nicht ernüchterten Zuhörer spendeten der dirigierenden Komponistin lebhaften Beifall."
Der Tag VII. Jg./Nr. 1915: Orchesterkonzerte, S. 11, online abrufbar unter: ANNO Historische Zeitungen und Zeitschriften: https://anno.onb.ac.at/- Literatur (Auswahl)
1929 Einstein, Alfred: Mayer, Lise Maria. In: Hugo Riemanns Musik-Lexikon. Berlin: Hesse, 11. Aufl. Online abrufbar unter: https://rme.rilm.org/rme/stable/525535.
1937 Schmidl, Carlo: Mayer Lisa Maria. In: Dizionario universale dei musicisti. Milano: Sonzogno. Online abrufbar unter: https://rme.rilm.org/rme/stable/525536.
1987 Cohen, Aaron I.: MAYER, Lise Maria. In: International encyclopedia of women composers. New York, NY [u.a.]: Books & Music, 2. Aufl. Online abrufbar unter: https://rme.rilm.org/rme/stable/525534.
1997 Günther, Bernhard (Hg.): Lise Maria Mayer. In: Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich: Komponisten und Komponistinnen des 20. Jahrhunderts. Wien: Music Information Center Austria, S. 69.
2001 Marx, Eva: Mayer Lise Maria (geb. Elise Maria Mayer, verh. Gaberle). In: Marx, Eva / Haas, Gerlinde (Hg.): 210 österreichische Komponistinnen. Vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Ein Lexikon. Wien/Salzburg: Residenz Verlag, S. 264–270.
2003 Österreichische Komponistinnen gestern und heute - Eine Ansichtssache quer durch die Jahrhunderte. In: Der Standard (17.02.2003), abgerufen am 13.11.2024 [https://www.derstandard.at/story/1213814/oesterreichische-komponistinnen-gestern-und-heute].
2022 Schwab, Andrea: Lisa Maria Mayer. In: Schwab, Andrea: Jüdische Komponistinnen zwischen Erfolg und Verfolgung, Exil und Heimkehr. Wien: Hollitzer Verlag, S. 69–82.
2023 Kopecky, Judith: Schreibzonen – Schreiben von Liedern. In: Kopecky, Judith: 1928: Wien und das zeitgenössische österreichische Konzertlied. Serie Musikkontext. Wien: Hollitzer Verlag, S. 187–238.- Quellen/Links
biografiA: Mayer Lise Maria
Oesterreichisches Musiklexikon online: Mayer (verh. Gaberle), Lise Maria (geb. Elise; E. Maria, Lisa M.)
WienGeschichteWiki: Lise Maria Mayer
Universal Edition: Lise Maria Mayer
Familie: Josef Rudolf Mayer (Vater), Stefanie Marianne Konta (Mutter)
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 11. 12. 2024): Biografie Lise Maria Mayer. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/210536 (Abrufdatum: 25. 12. 2024).