Stimme (1), Elektrische Gitarre (1), Klarinette (1), Bassklarinette (1), Saxophon (2), Video (1), Elektronik (1), Live-Elektronik (1)
Beschreibung
"1988: Die Post-Punk Kultband «Sentimiento Muerto" spielte ein seltsames Liebeslied - „Als du sprachst, hörte ich dich in stereo" brüllte ihr Sänger im letzten Konzert, das ich in Caracas besuchte - oder in CCS, wie einige sie auch nennen. Kurz darauf nahm ich Abschied von der Stadt und kam nach Wien, um neue Wege und Freunde in der Musik zu finden.
Aber das CCS meiner ersten 18 Lebensjahre geistert nach wie vor durch meine Kompositionen: Die Höllenstadt der ständigen Gewalt, des schnellen Lebens und Sterbens - erbarmungslos und schizophren fröhlich; die Millionenstadt des Ölreichtums, der grenzenlosen Korruption, der Schönheitswettbewerbe; die multikulturelle Stadt des Massenkonsums, der Latin-Punk-Ska-Metal-gruppen (die alles in einem waren), des Salsa, des Jazz und des Schallplattenladens meiner Eltern, wo ich aufwuchs. Zwischen diesen Welten und Einflüßen, ohne jedes Gefühl von Nostalgie, oszilliert mein als du sprachst, hörte ich dich in stereo. Das Stück ist in mehreren Etappen und in enger Zusammenarbeit mit befreundeten Künstlern entstanden.
Die Musik konzipierte ich speziell für die Musiker des quartett22 und die persönliche Sprache Martin Siewerts, deren Extreme sowohl das Brachiale als auch das Poetische ausloten. Gleichzeitig entwarfen Christina Bauer, Fredi Reiter und ich Klangliches und Räumliches.
Aus mehreren Gigabites von Materialien wählte Gina Mattiello nur wenige Texte aus, die in erster Linie Stimmungsträger sind und deren Inhalte durch die Interpretation oftmals verschlossen bleiben. Dazu zählen der Text eines europäischen Architekten, der noch in den 7oern an die Utopie eines zukunftsträchtigen Caracas glaubte; eines Schlagersängers, der trotz der Stadtverschmutzung romantisch beharrt: „Gib mir ein Messer, um die Luft zu zerschneiden und dich zu küssen"; und der ehrliche Text („Man sollte aber nie vergessen, dass sie immer eine Stadt von Wahnsinnigen war") eines venezolanischen Intellektuellen und Drehbuchautors von Telenovelas - dort ist es doch möglich beides zu sein.
Die Wahl des Videokünstlerin fiel mir leicht: schon lange wollte ich mit Michaela Grill zusammenarbeiten, und für dieses Projekt war mir klar, dass ihre visuelle Sprache und ihre Gabe, Bilder in poetische Abstraktion zu verwandeln, ideal für die Umsetzung der Eindrücke des Erinnerns und Vergessens waren.
Erinnern und Vergessen, weil Caracas immer wieder neu entsteht, viel zu schnell und seit Jahr-zehnten; sie wurde eine Metapher von sich selbst: Das Abbild eines Ortes im ständigen Wandel, ein Platz ohne Gedächtnis.
Das CCS unseres Stückes gibt es nicht mehr, und eine Fortsetzung der Trilogie – die die jetzige Stadt behandeln soll – erschwert sich: Die einseitigen Berichte der populistischen Regierung von Hugo Chavez, sowie die Einschränkungen der Medienfreiheit zeigen mir nur ein bruchstückhaftes und entstelltes Bild der Stadt."
Jorge Sánchez-Chiong (2004/2006), ORF Musikprotokoll, abgerufen am 18.07.2023 [https://musikprotokoll.orf.at/2006/werk/trilogiacaraque%25C3%25B1ai5-cuando-hablabas-te-oia-en-stereo]
Auftrag: Österreichischer Rundfunk (ORF) – Ö1
Aufführung
8. Oktober 2006 - Helmut List Halle, Graz
Veranstlater: Musikprotokoll im Steirischen Herbst
Mitwirkende: NewTon Ensemble, Gina Mattiello (Stimme), Martin Siewert (E-Gitarren, Elektronik), Alfred Reiter (Live-Elektronik), Christina Bauer (Sound), Jorge Sánchez-Chiong (Turntables), Quartett22: Petra Stump (Klarinette), Heinz-Peter Linshalm (Bassklarinette), Sabine Zwick (Saxophon), Thomas Schön (Saxophon)
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 18. 7. 2023): Sánchez-Chiong Jorge . Trilogía_caraqueña_1.5: cuando hablabas te oía en stereo. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/141166 (Abrufdatum: 24. 11. 2024).