"„Liberda ist Komponist, Vermittler und genuiner Performer.
Er hüpft höher als Bernstein. Seine Lecture Performance ist
eine Tour de Force durch die Geschichte der Tonsysteme, Instrumentenentwicklung und Notationen hin zu einer neuen Aufmerksamkeit des Hörens.“
Bruno Liberda, abgerufen am 9.8.2023 [https://www.brunoliberda.at/]
"Eigentlich wollte Bruno Liberda Papst werden...
hat sich dann aber doch auf den Schöpfungsprozess selbst verlegt. Als Autotheist kreiert er im Chaos Zustände, die er nie findet. Den Weg dorthin nennt er Musik.
Nach einem Studium bei Roman Haubenstock-Ramati bot sich ihm 1978 die einmalige Gelegenheit, als Erster an der Wiener Staatsoper elektronische Musik zu spielen und ein Ballett auf Basis elektronischer Musik zu kreieren. Es folgen mehrere Aufträge für Opern und Ballette. Arbeitet u.a. an der Frankfurter Oper, Oper Amsterdam, Burgtheater, Piccolo Teatro Milano, Oper Karlsruhe, Bregenzer Festspiele etc.
Spielt live Elektronik Sets solo und in diversen Formationen.
Versucht permanent, hinter seinen Ton–Bildern zu verschwinden und das Vorurteil auszuräumen, Musik sei eine universelle Sprache und werde auf der ganzen Welt verstanden.
Er gibt sein Wissen nicht nur an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien weiter, sondern hält auch Gastvorlesungen im In- und Ausland. Liberda’s Musik ist geprägt von der Faszination, durch die Verbindung traditioneller Instrumente mit den elektronischen Apparaten des 3. Milleniums der Definition Hoëné Wronsky’s auf die Spur zu kommen: Musik ist die Verkörperlichung der in den Klängen selbst gelegenen Intelligenz.
Ein nicht mehr eruierbarer Umstand konfrontiert Bruno Liberda im frühen Alter mit der schockierenden Tatsache, daß 1953 an anderen Orten dieses Planeten ein um eventuell hunderte Jahre verschobenes Datum bedeutet: Wochenlanges Grübeln „über den wahren Moment“ zeitigt Einblicke in die Relativität aller uns umgebender Abläufe, Behauptungen und Dinge. Später – nach Preisen, Stipendien, Aufträgen, Aufführungen, Unterricht u.a. wünscht er von den unbekannten Meistern unweit hinter den wachen Toren der Welt, deren Unterweisungen er jetzt aus der Simultanzeit übersetzt, zu lernen. Angehalten zur Übung, hybridisiert er die in der Chronik mannigfaltigst gefundenen Instrumente, Gebärden, Zeichen und Klangkörper.
Lebt im unvollendeten Zirkel der Töne."
Bruno Liberda: Über mich, abgerufen am 9.8.2023 [https://www.brunoliberda.at/%C3%BCber-mich]
Stilbeschreibung
"Der Stand der Dinge
Durch Infotainment, TV-Krimi, Werbespots und Videoclips ist einerseits die Geschwindigkeit und Klarheit einer Story auf maximalen "Speed" gebracht, andererseits die Mischung und Vermengung aller Stilzitate perfektioniert und zugleich endgültig ad absurdum geführt worden. Sex and Crime, Natur- und Wissenschaftsdokumentation werden uns mit immer perfekteren Großaufnahmen, schnelleren Verfolgungsjagden, größeren Explosionen, raffinierteren Überraschungen in der "Erzählung" während des Abendessens (eine Parallele zur Oper) vorgesetzt. Die "Suspense" wird nur vom Genie des Werbespots unterbrochen, das weiß, wie wenig Zeit bleibt, Sehnsüchte und Gefühle zu wecken, von fernen Ländern und verlockenden Früchten (jeder Art) zu erzählen. In buchstäblich zwei Atemzügen wird eine komplette 30"-Oper kreiert. Sicher kann eine Schauspiel- oder Opernbühne - und ich denke dabei nur an die "Einheit" des Ortes - nie mit der Rasanz eines Filmschnittes [vor - rück (Zeit), seitwärts (Ort), groß - klein (Bildausschnitt) - blendend] erzählen und auch nicht mit hundert Bühnenzügen, drei Neben-, Unter- und Hinterbühnen und tausend Scheinwerfern die visuelle Üppigkeit einer virtuellen (daher unendlich komplex gestaltbaren) Videoclipumgebung inszenieren.
Die Verzauberung
Jedoch gibt uns Mörikes Novelle "Mozart auf der Reise nach Prag", in der viel Stille und magisch angehaltene Zeit herrscht, die Möglichkeit, eine "andere" Virtuosität zu entwickeln und einen komplementären Standpunkt einzunehmen. Im Zusammenhang mit der Bühne zeigt uns das Tristan-Motiv in großer Meisterschaft, wie die Kunstform "Musik" eine Form der Zeit ist: Diesselbe Musik existiert gleichzeitig, punktförmig (als Akkord) und als Sukzession (aufgelöst in lineare [Melodie] Motive), erscheint flüchtig oder behäbig, laut - leise, grell - gedämpft etc. Die Potenz der Musik, Zeit aus den verschiedensten Aspekten mit variantenreichen Methoden betrachten zu können, und das auch oft noch gleichzeitig, versetzt uns in einen geheimnisvollen, "übergeordneten" Zustand. Dieses Zeit-Spiel reflektiert sich bei Tristan auch in der Erzählform der Geschichte (oder: beide bedingen einander wechselseitig): Die "Happenings" der Erzählung treten an den äußeren Rand (d. h. jeweiligen Aktschluß) und werden nur als Vorwand benutzt, die Imagination einer inneren Situation zu manifestieren - Requisiten und Aktionen werden als Vorwand für die psychische Innenwelt eingesetzt. [...]
Zellpathologie
Inzwischen schreiben wir 1996 und haben technologisch raffiniertere Methoden, mit Tonort, Ton-Zeit, Klangfarbe und vielen anderen Parametern zu spielen. Der neu geprägte Begriff "World music" wird sich nicht in der fälschlichen Betrachtung exotischer Folklore erschöpfen. Wie eine Vorbereitung auf einen gemeinsamen Stil wird uns die Zeit des Zitierens im Postmodernismus erscheinen: Gleich einem Netzwerk stehen alle auf der Welt vorhandenen rhythmischen, harmonischen, melodischen und sonstigen, für europäische Ohren begrifflich noch nicht (oder nicht mehr) festzuschreibenden Argumente zur Verfügung und es gibt sicher keinen - fälschlicherweise - proklamierten "Vorrang der deutschen Musik". "Wir müssen lernen, mit der Pluralität der Zeiten, der Räume, mit Vielheiten, mit Unterschieden zu leben." (Luigi Nono) (Wann werden wir endgültig von unserem europäischen Sockel stürzen und begreifen, daß z. B. ein indischer Tabla-Spieler eine viel komplexere und längere Ausbildung durchläuft als ein hiesig akademisch gebildeter Percussionist und von "Naturmusik", die unserer "Kunstmusik" überlegen sein soll, keine Rede sein kann. Vielleicht haben die Kollegen einfach eine bessere Ausbildung und machen deshalb die interessantere Musik ...)"
Bruno Liberda (1996). In: Memory modules oder Oper nach der Postmoderne, zitiert nach: Günther, Bernhard (1997) (Hg.): Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich: Komponisten und Komponistinnen des 20. Jahrhunderts. Wien: music information center austria, S. 675.
Ausbildung
1969–1977 Musikhochschule Wien: Tonsatz, Komposition (Roman Haubenstock-Ramati), Elektroakustik (Dieter Kaufmann), Violoncello (Tobias Kühne) - Diplom mit Auszeichnung
1971 Mödling: Matura
1977 IPEM Gent: Institut für Psychoakustik und Elektronische Musik
Universität Wien: Philosophie und der Musikwissenschaft
Tätigkeiten
Institut für Komposition, Elektroakustik und Tonmeister_innen-Ausbildung - mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien: Lehrender für elektronische Musik
Aufführungen (Auswahl)
2022 Anna Koch (bcl), BASSticcio - Echoraum, Wien: Zähmung des Umstandes (UA)
Literatur
1994 Goertz, Harald, Österreichischer Musikrat (Hg.): LIBERDA Bruno. In: Österreichische Komponisten unserer Zeit (= Beiträge der Österreichischen Gesellschaft für Musik. Band 9). Bärenreiter: Kassel u. a., S. 90–91.
1997 Günther, Bernhard (Hg.): LIBERDA Bruno. In: Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich: Komponisten und Komponistinnen des 20. Jahrhunderts. Wien: Music Information Center Austria, S. 674–677.
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 24. 10. 2024): Biografie Bruno Liberda. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/59064 (Abrufdatum: 22. 11. 2024).