Violine (1), Viola (1), Violoncello (1), Klavier (1), Schlagwerk (1)
Beschreibung
"Mit dem Erhalt des Ö1 Talentebörse-Kompositionspreises wurde ich nun von der Österreichischen Nationalbank mit der Komposition eines neuen Werkes beauftragt, das im Frühjahr 2021 uraufgeführt und auf Ö1 ausgestrahlt werden soll. Ich plane ein Werk für Violine, Viola, Violoncello, Klavier, Schlagwerk und Bariton, das thematisch an meine „Scena di Medea“ andockt und auch in Zukunft an einem Konzertabend gemeinsam mit diesem Stück gespielt werden kann. Der Titel wird vermutlich „Chrysomeles“ lauten – das ist der Widder aus der griechischen Mythologie, von dem das Goldene Vlies stammt. Mehr möchte ich allerdings noch nicht verraten."
Tanja Elisa Glinsner (2020): „Der Akt des Führens im gemeinsamen Musizieren macht mir großen Spaß“ – TANJA ELISA GLINSNER im mica-Interview. In: mica-Musikmagazin.
"Als wichtige Inspirationsquellen dienten mir unter anderem „Die Geburt der Tragödie“ von Friedrich Nietzsche und die Ideenlehre Platons. Bei Chrysomeles handelt es sich um den Sohn des Poseidon und der Thrakerin Teophano, welcher als Widder mit goldenem Fell geboren wurde, das später als das goldene Vlies in weitere Sagenkreise einging. Jason stahl jenes wiederum, als er in Kolchis eindrang, den Bruder ermordete und Medea verschleppte, um diese zu seiner Frau zu machen.Dem Vlies wurden magische Fähigkeiten zugeschrieben, es war das Heiligtum des Stammes um Kolchis gewesen und Medea die Zauberin, die Älteste, welche es behütete und damit rituellen Stammesbräuchen nachging. Als Chrysomeles dem Ares – dem Kriegsgott – zum Opfer dargebracht wird, hinterlässt das goldene Vlies eine ewige Blutspur und fordert viele Tote.Der erste Satz meines Werkes wird sich mit der Geburt des Chrysomeles – der Geburt eines Mythos – befassen. Als Andeutung des Funkens, der das promethische Feuer entzündet, wird ein Streichholz und der Klang von dessen Entzündung eine Rolle spielen. Eine Metapher für die Geburt des Menschen, für die Idee der Entstehung einer Seele, explizit des Geistes des Chrysomeles.Im zweiten Satz wird er als Sohn des Poseidon, des Gottes der Meere, betrachtet werden, wohingegen der dritte Satz sich mit der Thematik des Rituals im Zusammenhang mit dem goldenen Vlies beschäftigt.Der vierte Satz stellt die Hinrichtung des Chrysomeles und damit seine Verarbeitung zum rituellen Objekt dar – den brutalen Akt, der es gleichsam mit einem Fluch belädt. Ebendiese Brutalität der Schlachtung gleicht der grausamen Behandlung und Verurteilung der Medea durch die Gesellschaft, dem Verrat durch Jason und in weiterer Folge der Brutalität der ihre Kinder schlachtenden Medea selbst, die einen Akt der absoluten Selbstverleugnung darstellt. Auch der Charakter der Musik leitet daher zur punktuellen Expressivität der „Scena di Medea“ über. Dies führt unter anderem zur Kombinierbarkeit von „Chrysomeles“ und „Scena di Medea“ innerhalb eines Konzertprogramms. Das erstgenannte Werk eröffnet einen mythologischen Raum, wird in seiner Klangsprache dessen Weite und Freiheit zeichnen und zum Verweilen und Schwelgen zwischen Traum und Wirklichkeit einladen. „Scena di Medea“ hin-gegen zeichnet sich vor diesem Hintergrund als konkret und expressiv ab, fokussiert ihre leidvolle Geschichte zwischen Wirklichkeit und Wahnsinn."
Tanja Elisa Glinsner (2020): klang:punkte Herbst/Winter, S. 15
Auftrag: Österreichische Nationalbank im Rahmen des Kompositionspreises der Ö1 Talentebörse
Uraufführung
25. Mai 2022 - MuTh - Konzertsaal der Wiener Sängerknaben
Veranstalter: Ö1 Talentebörse, Preisverleihungskonzert
Mitwirkende: Mitglieder des RSO Wien, Tanja Elisa Glinsner (Dirigentin)
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 11. 5. 2022): Glinsner Tanja Elisa . Chrysomeles. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/201479 (Abrufdatum: 21. 11. 2024).