Frauenstimme (1, Sprecherin), Violine (2), Viola (1), Violoncello (1), Kontrabass (1)
Bearbeitung: Für Streichquintett und Sprecherin (2020)
Beschreibung
"Dieses Werk gibt – so finde ich – meine derzeitige Klangsprache am unmittelbarsten wieder. Es ist für Streichquintett und Sprecherin wie auch für die Schlaginstrumente Gongs und Röhrenglocken geschrieben und sollte ursprünglich am 10. März 2020 im Gläsernen Saal des Wiener Musikvereins mit Caroline Peters in der Rolle der Medea uraufgeführt werden. Leider war dies der erste Abend, an dem coronabedingt die Konzerte im Wiener Musikverein abgesagt wurde.
Ich habe an dem Werk um die 500 Stunden gearbeitet, war ein Dreivierteljahr kompositorisch damit beschäftigt. Ich habe mir noch nie so viel Zeit für ein Werk genommen, allerdings wollte ich diesen Auftrag, für den ich freie Hand bekommen hatte, auch auskosten. Mich inspirierte das Thema des Konzertabends „Schicksal? Entscheidung! Antike Heldinnen – zeitlose Stimmen“ sehr. Die Texte sollten unter anderem von Elfriede Jelinek stammen, die Rezitation sollte die Burgschauspielerin Caroline Peters übernehmen. Aus diesem Grund habe ich das Werk auch meiner Mutter gewidmet, meiner ganz persönlichen Heldin. Aus dirigentischer wie kompositorischer Sicht empfand ich die Arbeit mit Caroline Peters, die die Rolle der Medea übernahm, und den Musikerinnen als besonders beglückend und bereichernd. In dem Moment, in dem ich von der Absage erfuhr, empfand ich den Titel des Konzertabends als pure Ironie. Das tue ich noch heute.
Der Text zu „Scena di Medea“ basiert auf „Medea“, dem dritten Teil des Dramas „Das goldene Vlies“ von Franz Grillparzer. Ich habe die Textstellen, welche mir thematisch am wichtigsten erschienen, zu einer Collage verarbeitet. Bestimmte Themenbereiche folgen aufeinander: Ritual, Vergangenheit, Begegnung mit Jason, Fluch, Krëusa und der Mord an ihren Kindern. Zu Beginn steht eine rituelle Einleitung à la Pier Paolo Pasolinis Verfilmung des Medea-Stoffes. Ein Urvolk tanzt zelebrierend um ein Feuer. Man hört den inneren Kampf und die Zerrissenheit der Medea, nachdem sie ihre Kinder ermordet hat. Ist der Mord nicht auch symbolisch – als weitgehendste Verleugnung der eigenen Existenz, zu der sie Jason wie auch die Gesellschaft getrieben haben – gemeint? Nach dieser Einleitung reflektiert Medea über ihre Kindheit, die Verbindung zu ihrem Vater, den schicksalshaften und gewaltigen Eintritt Jasons in ihr Leben, Jasons Mord an ihrem Bruder und den Fluch, mit dem sie ihr Vater belegte. Des Weiteren folgt eine Reflexion über Krëusa, mit der Jason sie betrog, bis hin zum Mord an ihren Kindern. [...]
In „Scena di Medea“ habe ich die Stimmbehandlung explizit definiert: Zum einen erklingt die Stimme der Medea-Sprecherin, welche Caroline Peters wunderbar intensiv interpretierte. Zum anderen erklingen aber auch die Stimmen der Streicher. Sie sind die Stimmen der Gesellschaft. Dies drückt sich in Passagen wie „Sei verflucht, Medea“ als Kommentar und Be- und Abwertung Medeas aus. Sie übernehmen aber auch die Rolle von Geisterstimmen. Diese versuchen, Medea zu verführen und zu betören. Oder sind sie die Stimmen ihres Gewissens, nachdem sie den Mord an ihren Kindern begangen hat? Das lasse ich den Zuhörenden gerne offen."
Tanja Elisa Glinsner (2020): „Der Akt des Führens im gemeinsamen Musizieren macht mir großen Spaß“ – TANJA ELISA GLINSNER im mica-Interview. In: mica-Musikmagazin.
Auftrag: mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
Widmung: Mutter von Tanja Elisa Glinsner
Uraufführung (ursprünglich)
10. März 2020 - Wien, Musikverein - Gläserner Saal
Veranstaltung: Schicksal? Entscheidung! Antike Heldinnen - Zeitlose Stimmen
Mitwirkende: Caroline Peters (Rezitation), Susanne Schäffer (Violine), Jenny Lippl (Violine), Nora Romanoff-Schwarzberg (Viola), Gundula Leitner (Violoncello), Anna Mittermeier (Kontrabass), Tanja Elisa Glinsner (Dirigentin)
Weiter Information: Die geplante Uraufführung fand wegen der COVID-19 nicht statt.
3. März 2022 - MUTH
Mitwirkende: Franziska Hackl (Rezitation)
Weitere Informationen
"Welches meiner Werke hat mich nachhaltig beeinflusst?
Eindeutig die Arbeit an meiner „Scena di Medea“. Hierbei handelt es sich um ein Auftragswerk der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien, die Idee dazu stammte von der Violistin Nora Romanoff-Schwarzberg. Die Uraufführung war für das Konzert „Schicksal? Entscheidung! Antike Heldinnen“ am 10. März 2020 im Gläsernen Saal des Wiener Musikvereins mit Caroline Peters in der Rolle der Medea geplant. Leider musste das Konzert aufgrund der coronabedingten Einschränkungen des Kulturbetriebes abge-sagt werden. Es handelte sich um den ersten von Absagen betroffenen Abend in Österreich. Die vorgegebene Idee der Ausschreibung war, ein Werk für Streichquintett und Sprecherin, welches auf dem Drama „Medea“ von Grillparzer basiert, zu schreiben. Meine Arbeit an der Komposition begann im Juli 2019 und endete im Februar 2020, in welchem intensive Proben für das Werk stattfanden. Es war eine sehr schöne und lohnende Zusammenarbeit mit den Musikern, in der ich für mich als Dirigentin sehr viel mitnehmen konnte. Es war für mich natürlich ein großer Schock, als am Tag der geplanten Aufführung, keine zwei Stunden nach einer gelungenen Generalprobe, die Nachricht kam, dass das Konzert abgesagt werden sollte. Ein 500-stündiger Kompositionsprozess zuzüglich eines intensiven musikalischen und menschlichen Austauschs mit den Ensemblemusikerinnen lag hinter mir, enorme organisatorische Hindernisse, die Schlagwerkinstrumente zu organisieren, das Bangen, ob das Stück tatsächlich so umsetzbar sein würde, wie ich es notiert hatte.Ich hatte – aus einem besonderen Bauchgefühl heraus – die General-probe mit fünferlei Geräten mitgeschnitten. Davon hatte anschließend nur eine Aufnahme überlebt, da vier der fünf Geräte entweder aufgrund des Akkus oder fehlender Speicherkapazität nicht durchge-halten hatten. Diese eine Aufnahme reichte ich neben zwei weiteren Werken bei der Ö1-Talentebörse ein und sie war –so die Aussage der Jury – entscheidend für den Erhalt des Preises. Da dieses Werk mich derartig beeinflusst hat und ich eine ganz besondere Zeit mit ihm durchgestanden habe, habe ich mich entschlossen, die Komposition, mit welcher ich nun von Ö1 und der Österreichischen Nationalbank beauftragt worden bin und welches nächstes Jahr auch vom Verlag Doblinger aufgenommen werden wird, in direkten Zusammenhang mit meiner „Scena di Medea“ zu stellen."
Tanja Elisa Glinsner (2020): klang:punkte Herbst/Winter, S. 14-15.
Aufnahme
Titel: "Scena di Medea" für Streichquintett und Sprecherin (2020) // Tanja Elisa Glinsner
Plattform: YouTube
Herausgeber: Tanja Elisa Glinsner
Datum: 30.04.2022
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 11. 5. 2022): Glinsner Tanja Elisa . Scena di Medea. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/200530 (Abrufdatum: 22. 12. 2024).