1927 in Dresden geboren, stammt Michael Gielen aus einem künstlerischen Elternhaus, sein Vater ein Regisseur, seine Mutter eine Schauspielerin. 1938 emigrierte die Familie auf Grund der Machtergreifung der Nationalsozialisten nach Buenos Aires, wo Gielen ab 1940 Klavierunterricht bei Rita Kurzmann-Leuchter und ab 1942 musiktheoretischen Unterricht bei Dr. Erwin Leuchter erhielt. Nach dem Abitur 1944 studierte er noch für drei Semester Philosophie, ehe er sich endgültig dem musikalischen Schaffen zuwandte und erste Kompositionen verfasste. Ein Klavierabend, bei dem er 1949 alle Klavierwerke Schönbergs interpretierte machte ihn bekannt. 1950 kehrte er nach Europa zurück und erhielt ein Engagement als Korrepetitor an der Wiener Staatsoper. 1952 folgte das erste Dirigat am Wiener Konzerthaus, zwei Jahre später an der Wiener Staatsoper. Allmählich etablierte sich Gielen durch Dirigate in Europa und den USA als Fixstern am Dirigentenhimmel, schuf aber auch weiterhin Kompositionen. Ab den 70er-Jahren war er für Institutionen wie die Niederländische Oper, das Cincinnati Symphony Orchestra, die Oper in Frankfurt, als Chief Guest Conductor für das Sinfonieorchester der BBC, die Staatskapelle Berlin, Die Oper unter den Linden u.v.a. tätig. Als Leiter des Sinfonieorchester des Südwestfunks war er maßgeblich am Erfolg und Fortbestand der Donaueschinger Musiktage beteiligt. Zahlreiche preisgekrönte Schallplatteneinspielungen klassischer und zeitgenössischer Musik komplettieren sein Schaffen.
Stilbeschreibung
""Postseriell". Stark von der 2. Wiener Schule beeinflußt. Schon in der "Sonate" von 1946 ist der letzte Satz zwölftönig. Besonders die "Variationen für Streichquartett" 1949 sind stark von Berg beeinflußt (Wozzeck-Zitat, Rückläufigkeit). Allmählich mehr gelockerte Handhabung der Technik. Im Quartett 1983 ("Un vieux souvenir", 1983-1985) werden Ergebnisse als Klangobjekte behandelt, in 'Pflicht und Neigung' das Quartett als Steinbruch benutzt."
Michael Gielen (1994)
Auszeichnungen
1985 Land Hessen: Staatspreis für Kultur
1986 Stadt Frankfurt/Main: Theodor Adorno Preis
1991 Bundeskanzleramt Österreich Kunst und Kultur: Würdigungspreis für Musik
1992 Bundesrepublik Deutschland: Großes Bundesverdienstkreuz
1996 Stadt Wien Würdigungspreis für Musik
2002 Cannes Classical Lifetime Achievement Award
BBC Symphony Orchestra: Ehrendirigent
Opernwelt: Auszeichnung als Dirigent des Jahres durch die Zeitschrift
Ausbildung
1940 - 1942 Buenos Aires Unterricht bei Rita Kurzmann-Leuchter Klavier
1940 - 1942 Buenos Aires Unterricht bei Hubert Brandenburg Klavier
1942 Buenos Aires Musiktheorie (Dr. Erwin Leuchter)
1944 - 1945 Buenos Aires Universität Buenos Aires: Philosophiestudium
Tätigkeiten
1947 - 1950 Teatro Colón, Buenos Aires Korrepetitor, Zusammenarbeit mit Kleiber, Furtwängler, Böhm u.a.
1951 Wiener Staatsoper Wien Korrepetitor
1960 - 1965 Stockholm Königliche Oper: Chefdirigent, Zusammenarbeit mit Ingmar Bergman
1968 - 1972 Brüssel Belgisches Nationalorchester: Chefdirigent
1973 - 1975 Amsterdam Niederländische Oper: Chefdirigent
1977 - 1987 Alte Oper - Frankfurt/Main (Deutschland): Operndirektor und Generalmusikdirektor
1978 - 1981 BBC Symphony Orchestra, London: Chief Guest Conductor
1980 - 1986 Cincinnati Cincinnati Symphony Orchestra: Music Director, alljährliche Gastspiele in New York
1986 - 1998 SWR Symphonieorchester, Freiburg/Breisgau (Deutschland): Chefdirigent
1987 - 1995 Universität Mozarteum Salzburg: Professur in Dirigieren
Berliner Staatsoper Unter den Linden (Deutschland): Erster Gastdirigent
zahlreiche Dirigate im In- und Ausland
SWR Symphonieorchester: Freiburg/Breisgau (Deutschland): ständiger Gastdirigent
Aufträge (Auswahl)
La Salle Quartett
Institut de recherche et coordination acoustique - IRCAM
Ensemble Modern
Aufführungen (Auswahl)
1947 Buenos Aires
1954 Internationale Ferienkurse für Neue Musik Darmstadt Darmstadt
1954 ISCM/IGNM/SICM - Internationale Gesellschaft für Neue Musik Weltmusiktage
1959 ISCM/IGNM/SICM - Internationale Gesellschaft für Neue Musik Weltmusiktage
1961 ISCM/IGNM/SICM - Internationale Gesellschaft für Neue Musik Weltmusiktage
1966 ISCM/IGNM/SICM - Internationale Gesellschaft für Neue Musik Weltmusiktage
1972 ISCM/IGNM/SICM - Internationale Gesellschaft für Neue Musik Weltmusiktage
1993 Wien Modern Wien
2007 Klangspuren - Verein zur Förderung von Neuer Musik Schwaz Wattens Porträtkonzert und Lesung zum 80. Geburtstag in den Kristallwelten Wattens
2007 Heidelberg Schola Heidelberg, ensemble aisthesis, Spiegelsaal Prinz Carl Heidelberg: Aufführung mehrerer Werke anlässlich Gielens 80. Geburtstags
als Interpret
1987 SWR Symphonieorchester, Michael Andreas Gielen (Leitung), Donaueschinger Musiktage (Deutschland): Landscape with Martyrdom (UA, Jorge E. López)
1993 SWR Symphonieorchester, Michael Andreas Gielen (Dirigent), Sallaberger Oswald (Dirigent), Stefan Schmitt (Ko-Dirigent), Frankfurt am Main (Deutschland): Dome Peak (UA, Jorge E. López)
Pressestimmen (Auswahl)
20. Juli 2007
"Dem Blendwerk des Musikbetriebs abhold, war und ist Gielen nichts mehr und nichts weniger als ein Meister der Musik."
Salzburger Nachrichten (Karl Harb)
12. November 2005
"Er dehnte Spannung und Klang bis an die Grenzen des Möglichen und wollte doch immer nur das Eine: "Unbedingt Musik". So heißt seine kürzlich erschienene Autobiografie, die - mit maßvoller Eitelkeit erzählt - einen Musiker präsentiert, der als spröde, anspruchsvoll und unnahbar gilt. Dafür allerdings genießt der "unbedingte" Gielen weltweit Respekt. Zu Recht: Wie er in in der letzten Oktoberwoche das NDR-Orchester zu einer furiosen Leistung antrieb, das bekräftigte erneut seinen Ruf als unscheinbarer Meister der Makellosigkeit, der ohne gespreiztes Wedeln und Wühlen am Pult auskommt und dennoch strotzt von Energie."
Der Spiegel (Werner Theurich)
1997
"Michael Gielen, ohne Andreas als Dirigent weltweit bekannt und als Komponist hoch respektiert, wird also am 20. Juli 1997 siebzig Jahre alt. Grund genug zum Feiern, nicht nur der Person, viel mehr noch der Wirkungen wegen, die diese Person seit vielen Jahrzehnten im deutschen, europäischen, weltumspannenden Musikleben auslöst. Michael Gielen ist eine Institution, als Musiker und als Gewissen der Musik. Die Musikgeschichte ist für ihn unteilbar. Johann Sebastian Bach huldigt er als dem Größten, viele seiner komponierenden Zeitgenossen und manchen jüngeren Avantgardisten hat er dank seiner Autorität zu großen Komponisten erhoben, indem er mit der ihm eigenen Intensität und Beharrlichkeit in deren Partituren das Geniale aufspürte."
Neue Musikzeitung (Gerhard Rohde)
1988
"Michael Gielens Verfahren, Bachs Motette "Jesu, meine Freude" (BWV 227 für fünfstimmigen Chor, 1723) mit dem "Canticum sacrum" von Igor Strawinski zu kontrastieren und zu verschränken, kann als eine prolongierende Auslegung des Prinzips der schöpferischen Verfügung gewertet werden."
Almanach "Wien modern" (Dieter Rexroth)
Links www.beckmesser.de
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 22. 8. 2024): Biografie Michael Andreas Gielen. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/54468 (Abrufdatum: 22. 12. 2024).