Helga Schiff-Riemann © Archiv der Stadt Linz
Helga Riemann (auch Riemann-Schiff), aus Leipzig gebürtig, war die Tochter vom Musikwissenschaftler Hugo Riemann sowie Schülerin von Johann Nepomuk David, ehe die Kriegswirren sie dazu zwangen 1943 ihr Studium abrupt abzubrechen. In weiterer Folge übersiedelte sie nach Gmunden, wo sie 1949 heiratete und als Pädagogin, Sängerin und Komponistin Fuß fasste. Mehrere Jahre war sie für den ORF als Musikkritikerin tätig. Ihre Werke - oft für Gesang und zum großen Teil für pädagogische Zwecke konzipiert - wurden in Deutschland und Österreich aufgeführt. So schrieb sie immer wieder Kompositionen, die speziell für diesen Unterricht verwendet werden konnten. Sich selbst sah Helga Riemann neben ihrem Beruf als Komponistin vor allem immer als Pädagogin, weshalb sie auch begann, sich für Musiktherapie zu interessieren - ab dem Jahr 1960 galt Helga Riemann in Österreich als eine der Vorreiterinnen auf dem Gebiet der angewandten Musiktherapie.
- Stilbeschreibung
"Großen Einfluss auf Helga Riemanns Kompositionsstil übte laut eigener Aussage ihr einstiger Lehrer Johann Nepomuk David aus. Von dem Unterricht bei David nahm sie [...] vor allem den Umgang mit der Polyphonie, die Freude an der Entwicklung eines Themas, sowie die Bindung an eine Form mit. Eine große Rolle spielte in ihren Kompositionen aber stets auch die Aufführbarkeit. Somit waren die Stilmittel zum Teil durch eine spezielle Besetzung bestimmt oder dem Können der Ausführenden angepasst (zum Beispiel in den Werken für den Unterricht an der Musikschule oder in den Kompositionen für die Musiktherapie). Zudem übernahm Helga Riemann den Grundsatz von Johann Nepomuk David, dass man das, was man komponiert auch auf einem Instrument hören können muss [...]. Wichtig im kompositorischen Schaffen von Helga Riemann ist die stilistische Kontinuität in ihren Werken. Große stilistische Veränderungen oder Einschnitte lassen sich über die Jahre hinweg nicht feststellen. Das Aufkommen moderner, neuer Stilmittel wurde in den Werken Helga Riemanns ausgeklammert bzw. nicht berücksichtigt [...]. Vielmehr fühlte sich Helga Riemann [...] einer klassischen Sichtweise, u.a. auf Johann Sebastian Bach, verbunden [...]. Dennoch muss man hierzu anfügen, dass genau dieser kompositorische Stil Helga Riemann zu einer häufig aufgeführten Komponistin machte. Es war ihr immer ein besonderes Anliegen gewesen, auch aufgeführt zu werden und dass ihre Werke zudem auch von Nicht-Profimusikern [...] gespielt werden konnten."
Tina Bayer: Helga Riemann (1924–2004). Leben, Werk und Schaffen einer oberösterreichischen Komponistin. In: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines, Band 154–155. Linz: Oberösterreichischer Musealverein, S. 333–334, abgerufen am 08.05.2024 [https://www.zobodat.at/pdf/JOM_154_155_0305-0363.pdf]"Vier Jahre Tonsatz- und Kompositionsstudium bei Joh. Nep. David war prägend und hat die Wahl der Stilmittel beeinflußt (z.B. Freude am Kontrapunkt). Eine Vorbildfunktion hatte auch Paul Hindemith. Die Form als Element des Ausdrucks bestimmt die lineare und vertikale Entwicklung eines Tonstückes, wobei ein grundlegendes Streben nach "Richtigkeit" vorherrscht. Die rhythmische Komponente steht selten im Vordergrund, ist aber immer mitbestimmend. Leitsatz: Hören, empfinden, verstehen."
Helga Riemann (1994), zitiert nach: Günther, Bernhard (1997) (Hg.): Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich: Komponisten und Komponistinnen des 20. Jahrhunderts. Wien: music information center austria, S. 903.- Auszeichnungen
1982 Republik Österreich: Verleihung des Berufstitels "Professor"
1987 Amt der Oberösterreichischen Landesregierung: Landeskulturpreis i.d. Sparte "Musik"
1988 Stadt Linz: Kunstwürdigungspreis
1994 Amt der Oberösterreichischen Landesregierung: Kulturmedaille
1995 Stadt Gmunden: Goldene Verdienstmedaille- Ausbildung
1932–1937 Leipzig (Deutschland): Privatunterricht Klavier (Maria Charlotte Voigt)
1934–1942 Gymnasium Leipzig (Deutschland): Matura
1937–1940 Leipzig (Deutschland): Privatunterricht Gesang (Amadeus Nestler)
1939–1943 Landeskonservatorium Leipzig (ab 1941: Staatliche Hochschule für Musik, Musikerziehung und darstellende Kunst Leipzig) (Deutschland): Blockflöte (Carl Bartuzat), Gesang (Reinhold Gerhardt), Konzertfach Klavier (Hans Hermann), Nebenfach Tonsatz/Komposition (Johann Nepomuk David) - vorzeitige Beendigung des Studiums durch Kriegsereignisse
1942–1943 Staatliche Hochschule für Musik, Musikerziehung und darstellende Kunst Leipzig) (Deutschland): Hauptfach Tonsatz/Komposition (Johann Nepomuk David) - vorzeitige Beendigung des Studiums durch Kriegsereignisse- Tätigkeiten
1942–1943 Städtische Musikschule Leipzig (Deutschland): Lehrerin (Musiktheorie, Gesang, Klavier)
1943–199? aktive Konzertsängerin in Österreich, Deutschland
1944–1945 Städtische Musikschule Gmunden: Lehrerin (Gesang, Klavier, Blockflöte)
1946–1954 Bruckner-Konservatorium Linz: Lehrbeauftragte (Gesang, Klavier, Blockflöte)
1954–1959 Freie Musikschule - Rudolf Steiner Schule, Hamburg (Deutschland): Lehrerin (Epochenunterricht)
1959–1984 Musikschule der Stadt Linz: Lehrerin (Klavier, Blockflöte, Gesang, Ensemblespiel)
1960–1971 Landes Heil- und Pflegeanstalt Niedernhart, Linz: Musiktherapeutin, Entwicklung neuer musiktherapeutischer Ansätze/Behandlungen
1961–1984 Österreichischer Rundfunk (ORF) – Landesstudio Oberösterreich: freie Mitarbeiterin, Musikberichterstatterin (Sendung "Gesehen und Gehört")
1965–1984 Oberösterreichischer Kulturbericht - Amt der Oberösterreichischen Landesregierung: Mitarbeit an den Kulturberichten des Landes Oberösterreich
1965–1984 Oberösterreichisches Tagblatt: Musikkritikerin
1970–2004 freischaffende Komponistin
1972–1975 Kompositionslehrerin für Rudolf JungwirthSchüler:innen (Auswahl)
Robert Höldrich, Rudolf Jungwirth, Martin RummelMitglied in den Ensembles
1936–1938 Martin Luther Kirchenchor, Leipzig (Deutschland): Sängerin
1938–1943 GewandhausChor Leipzig (Deutschland): Sängerin
1938–1943 Rundfunkspielschar Leipzig (Deutschland): Sängerin
1946–19?? Duo Schiff: Blockflötistin, Sängerin (gemeinsam mit Helmut Schiff (Klavier))
1960er Jahre Duo Schiff: Sängerin (gemeinsam mit Helmuth Süß (Klavier))- Aufführungen (Auswahl)
1970 Brucknerbund Gmunden, Linz: Das Martyrium der Heiligen Caecilia (UA, 1. Szene)
1972 Landhaus Linz: Trio für Altflöte, Violoncello und Cembalo (UA)
1973 Kongresssaal Linz: Sonatine Nr. 2 (UA)
1973 Hedwig Ebermann (org), Stadtpfarre Linz: In einem Kripplein lag ein Kind (UA)
1979 4. ORF-Konzert - Österreichischer Rundfunk (ORF) – Landesstudio Oberösterreich, Landeskulturzentrum Ursulinenhof Linz: Josefslegende (UA)
1984 Marienkirche Bad Dürnberg: Kleine Passacaglia für Orgel über "Ich wollt', daß ich daheime wär"
1991 Lucas David (vl), Sibylle Langmaack (va), Rathaus Gmunden: Duo für Violine und Viola (UA)
1994 Christiane Plasser (a), Ernst Wagner (git) - Matinee anlässlich des 70. Geburtstags von Helga Riemann - Stadt Gmunden, Landesmusikschule Gmunden: Irischer Reisesegen (UA)
1994 Bad Goisern: Nachlese (UA)
1996 Salzburg: Phantasie über "Und unser liebe fraue" (1602) (UA)- Pressestimmen
07. April 1994
"Das Geburtstagskonzert zum Siebziger für die Linzer Komponistin Helga Riemann im Linzer Brucknerhaus am Dienstag war nach Inhalt und Form gut gelungen. Das überaus gutbesuchte Konzert entwarf das Bild einer Künstlerin, die ihr Handwerk von der Praxis kommend versteht, die Zuhörer immer im Auge behält und der Kunst nichts schuldig bleibt. Sie sagt alles direkt und verständlich, ohne lange Umwege und konzentriert, weiter den Instrumenten und vor allem der menschlichen Stimme auf den Leib geschrieben. Im Hintergrund lauert immer die geborene Pädagogin. Das alles macht ihre Musik so sympathisch und wertvoll."
Oberösterreichische Nachrichten: Direkt, sympathisch, wertvoll. Geburtstagskonzert für Helga Riemann im Brucknerhaus (Ausgabe 80/1994, S. 20). In: Bayer, Tina: Helga Riemann (1924–2004). Leben, Werk und Schaffen einer oberösterreichischen Komponistin. In: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines, Band 154–155. Linz: Oberösterreichischer Musealverein, S. 339, abgerufen am 08.05.2024 [https://www.zobodat.at/pdf/JOM_154_155_0305-0363.pdf]- Diskografie (Auswahl)
1999 Chormusik zeitgenössischer Meister - die lautmaler kammerchor perg, Josef Waidhofer (Buzo) // Track 11: Und es waren Hirten ...
1999 IMPRESSION Europa-Japan - Naoko Knopp-Nagaoka (ORF/LTM) // Sonatine Nr. 1; Sonatine Nr. 2; Spanische Aquarelle
1983 Linzer Komponisten: Strobl, Herbert / Kinzl, Franz / Leitner, Bert / Schiff-Riemann, Helga - Linzer Bläserquartett (LP; Eigenproduktion) // Fun for BrassKomponisten aus Oberösterreich. Frida Kern, Helmut Schiff, Helga Riemann und Adolf Scherbaum (LP; Preiser Records) // Variationen über ein eigenes Thema
- Literatur
1991 Riemann, Helga: Helga Schiff-Riemann - Österreichische Komponistinnen des 20. Jahrhunderts. In: Österreichische Musikzeitschrift 46/7-8, S. 387.
1997 Günther, Bernhard (Hg.): RIEMANN Helga. In: Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich: Komponisten und Komponistinnen des 20. Jahrhunderts. Wien: Music Information Center Austria, S. 903–904.
2001 Haas, Gerlinde: Riemann Helga (verh. Schiff, gesch. Schiff-Riemann). In: Marx, Eva / Haas, Gerlinde (Hg.): 210 österreichische Komponistinnen. Vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Ein Lexikon. Wien: Residenz Verlag, S. 313–317.
2010 Bayer, Tina: Helga Riemann (1924–2004). Leben, Werk und Schaffen einer oberösterreichischen Komponistin. In: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines, Band 154–155. Linz: Oberösterreichischer Musealverein, S. 305–363, abgerufen am 08.05.2024 [https://www.zobodat.at/pdf/JOM_154_155_0305-0363.pdf].
2010 Bayer, Tina / Ziegler, Wolfram: Helga Riemann (1924–2004): Zu Vita und Werk einer wichtigen oberösterreichischen Komponistin. In: Oberösterreichische Heimatblätter. Jahrgang 64, Heft 1/2, Linz: Amt der Oberösterreichischen Landesregierung/Direktion Kultur, S. 84–90, abgerufen am 08.05.2024 [https://www.land-oberoesterreich.gv.at/files/publikationen/KD_Heimatblatt_1_2_2010.pdf]Eigene Publikationen
1947 Riemann, Helga: Anleitung zur Ausbildung richtigen Tonalitätsempfindens (Unterrichtsmaterial)
1947 Riemann, Helga: Modulationslehre (Unterrichtsmaterial)
1949 Riemann, Helga: Aus Kindern werden Leute (Unterrichtsmaterial)
1950 Riemann, Helga: Lehrgang des Blockflötenspiele (Unterrichtsmaterial)
1965 Riemann, Helga: Erzählung: "Begegnung mit dem Dichter". In: Neues Österreich. 30. Jänner 1965. S. 16.
1972 Riemann, Helga: Musikbericht. In: Oberösterreichischer Kulturbericht. Jg. 26. Folgen 15, 19, 20, 22, 24, 26. 1972.
1976 Riemann, Helga: Zu Besuch bei Frida Kern. In: Oberösterreichischer Kulturbericht. Jg. 30. Folge 6. 12. März 1976. S. 39–40.
1991 Riemann, Helga: Das Schicksal einer Komponistin. Frida Kern zum 100. Geburtstag. In: Blickpunkte Oberösterreich. Kulturzeitschrift. Jg. 41/Heft 2 (1991). S. 46–49.- Quellen/Links
Oesterreichisches Musiklexikon online: Schiff, Familie
Wikipedia: Helga Riemann
Stadt Linz - WALK OF FEM: Helga Schiff-Riemann
Familie: Hugo Riemann (Großvater), Hans Riemann (Vater), Dorothea (Thea) Riemann geb. Lindenberg (Mutter), Helmut Schiff (Ehemann), Heinrich Clemens Schiff (Sohn), Christian Schiff (Sohn)
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 31. 10. 2024): Biografie Helga Riemann. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/62980 (Abrufdatum: 21. 11. 2024).