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BARE BRANCHES

Werktitel
BARE BRANCHES
Untertitel
Weltliches Requiem und Raumanordnung um die Sehnsucht nach den fehlenden Millionen zu stillen - für 2 Solostimmen, 2 Vokalensembles (teilweise mit Audio-Partituren) und Schlagwerk
Komponist:in
Beteiligte Personen (Text)
Waldmann Anne, Palme Pia
Entstehungsjahr
2012
Dauer
~ 30m
Genre(s)
Neue Musik
Gattung(en)
Ensemblemusik
Vokalmusik
Elektronische Musik
Sprache (Text)
Englisch
Besetzung
Solostimme(n)
Vokalensemble
Zuspielung
Besetzungsdetails

Sopran (1), Mezzosopran (1), Sprecherin (1, jugendlich), Schlagzeug (1), Chor (SATB / jugendliche Frauen-und Männerstimmen: beide Chöre zum Teil via Audiopartituren), Zuspielung

Art der Publikation
Manuskript

Beschreibung
"Ich verstehe dieses Requiem als einen zeitgenössischen Ritus, der durch Klang Frieden und Ruhe bringt. Dies geschieht dabei im weltlichen Sinn, aus der tiefen Sehnsucht nach Frieden heraus, unabhängig von jeglicher Zugehörigkeit zu einer Religion oder Konfession, und aus der Sehnsucht nach Millionen meiner Mitmenschen, die im wahrsten Sinne des Wortes fehlen:

Der Ausdruck “kahle Äste” (engl. “bare branches”) bezeichnet in China die “überzähligen” jungen Männer in der Gesellschaft. Die Zahl der “fehlenden” jungen Frauen in China beträgt aktuell geschätzt weit über 110 Millionen. In Indien existiert ein ähnlich großer Männerüberhang; dieselbe Situation dürfte in weiten Teilen Asiens zu finden sein**. Die Ausbrüche von Gewalt, die durch das Ungleichgewicht der Geburtenzahlen weltweit entstehen, der Schmerz und die unerfüllbare Sehnsucht der betroffenen Männer nach Eingliederung in die jewelige Gesellschaft haben mich zu der Komposition eines Requiems veranlasst***.

Als Material für die Komposition habe ich u.a. Spektralanalysen von Fieldrecordings herangezogen: z.B. eine Aufnahme eines gesungenen Friedensrituals tibetischer Nonnen in ihrem Kloster in Nordindien (die Aufnahme wurde von den Nonnen selbst mit einem Smartphone gemacht und mir zugeschickt); Aufnahmen aus Shiraz (Iran), wo eine junge Frau und ein junger Mann ausgesuchte Verse des persischen Dichters Hafez (1325 – 1389) singend für mich rezitierten; weiters Aufnahmen von einem jungen Paar aus Wien, die Friedenswünsche aussprachen. Alle diese polyphonen Stränge und Stimmen einer globalen Sehnsucht nach Frieden wurden in transformierter Form in die Musik des Requiems eingewoben.

Die Texte/Libretti sind durch einen intensiven Austausch mit der Dichterin Anne Waldman für das Werk entstanden. Ich sehe meine kompositorischen Arbeiten als im weitesten Sinn politisch und feministisch verankert, sowie in die barocke Tradition der Oratorien eingebettet.

Ich setze Audiopartituren ein, um das Hineinhorchen in Verborgenes in die Aufführungstechnik zu übertragen. Die Sänger und Sängerinnen nehmen beim Singen von Audiopartituren einen verinnerlichten Gestus an; sie müssen sich auf ungewissem Terrain ganz den Klängen hingeben, und können nicht vorausschauen. Ich gehe hier das Experiment ein, die Vokalisten um der Komposition willen voll und ganz zu fordern. Dies bricht mit herkömmlichen Aufführungspraktiken. Es geht mir in diesem Stück auch darum, die vielen nie gehörten Stimmen (der fehlenden Frauen) und die Stimme der Sehnsucht der Männer kompositorisch neu zu definieren. Aus diesem Grund habe ich zu den Stimmen nur Schlagwerk hinzugefügt; die große Trommel wurde/wird im Krieg und im Frieden zur Verstärkung verbaler Ankündigungen eingesetzt.

** Quelle: Valerie M. Hudson und Andrea M. den Boer. 
Bare Branches : The Security Implications of Asia’s Surplus Male Population. Cambridge, Massachusetts: 
MIT Press 2005. Die Studie ist hervorragen recherchiert und zudem spannend zu lesen.

***Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass ich Feministin und keine Abtreibungsgegnerin bin. Die Zusammenhänge, die ich hier skizziere, sind wesentlich differenzierter, und betreffen das jeweilige Gesellschaftssystem als Ganzes. Es geht hier weiters nicht nur um gezielte Abtreibung von weiblichen Föten, sondern – auch heute noch – um postnatale Einwirkungen auf Neugeborene.

Libretto: Ein englisches Libretto für das Werk wurde 2012 von Anne Waldman verfasst. Ein intensiver Austausch der über das Thema ging dem voraus, und begleitete den gesamten Arbeitsprozess. In Absprache mit der Autorin habe ich aus dem Text Passagen für die Vertonung ausgewählt. Ich habe weiters für den Solosopran an einer Stelle einen deutschen Text verwendet, den ich direkt während der Kompositionsarbeit geschrieben habe. Teile des Textes werden vom Chor mit geschlossenem Mund wiedergegeben, sind also nicht direkt verständlich."
Pia Palme (2012)

Auftrag: Wienmodern und e-may 2012

Uraufführung
25. Oktober 2012 - Wien, WIE WIR WOLLEN
Veranstaltung: wienmodern/e_may
Mitwirkende: Salome Kammer (Sopran), Annette Schönmüller (Mezzosopran), Wiener Kammerchor - Chor I (Leitung: Michael Grohotolsky), Chor II und jugendliche Sprecherin: Wiener JugendChor der Musikschule Wien (Leitung: Andrea Kreuziger), Berndt Thurner (Ensemble PHACE - Schlagzeug), Alfred Reiter und Christina Bauer (Klangregie), Pia Palme (Einstudierung und Produktion),
Weitere Informationen: Komponiert und produziert 2012 mit Unterstützung durch das BMUKK. Ministerium für Kunst Österreich und die Kulturabteilung der Stadt Wien MA7

Aufnahme
Titel: BARE BRANCHES_part1
Plattform: SoundCloud
Herausgeber: palmeworks
Datum: 31 Oktober 2012
Mitwirkende: Salome Kammer (Sopran), Annette Schönmüller (Mezzosopran), Wiener Kammerchor - Chor I (Leitung: Michael Grohotolsky), Chor II und jugendliche Sprecherin: Wiener JugendChor der Musikschule Wien (Leitung: Andrea Kreuziger), Berndt Thurner (Ensemble PHACE - Schlagzeug), Alfred Reiter und Christina Bauer (Klangregie), Pia Palme (Einstudierung und Produktion),
Weitere Informationen: Die Ausschnitte stammen von Audio- und Video-Aufnahmen, die bei der Uraufführung bei wienmodern und e-may 2012 im damaligen Palais Kabelwerk entstanden sind.

Aufnahme
Titel: BARE BRANCHES_part2
Plattform: SoundCloud
Herausgeber: palmeworks
Datum: 31 Oktober 2012
Mitwirkende: Salome Kammer (Sopran), Annette Schönmüller (Mezzosopran), Wiener Kammerchor - Chor I (Leitung: Michael Grohotolsky), Chor II und jugendliche Sprecherin: Wiener JugendChor der Musikschule Wien (Leitung: Andrea Kreuziger), Berndt Thurner (Ensemble PHACE - Schlagzeug), Alfred Reiter und Christina Bauer (Klangregie), Pia Palme (Einstudierung und Produktion),
Weitere Informationen: Die Ausschnitte stammen von Audio- und Video-Aufnahmen, die bei der Uraufführung bei wienmodern und e-may 2012 im damaligen Palais Kabelwerk entstanden sind.

Aufnahme
Titel: BARE BRANCHES_part3
Plattform: SoundCloud
Herausgeber: palmeworks
Datum: 31 Oktober 2012
Mitwirkende:Salome Kammer (Sopran), Annette Schönmüller (Mezzosopran), Wiener Kammerchor - Chor I (Leitung: Michael Grohotolsky), Chor II und jugendliche Sprecherin: Wiener JugendChor der Musikschule Wien (Leitung: Andrea Kreuziger), Berndt Thurner (Ensemble PHACE - Schlagzeug), Alfred Reiter und Christina Bauer (Klangregie), Pia Palme (Einstudierung und Produktion),
Weitere Informationen: Die Ausschnitte stammen von Audio- und Video-Aufnahmen, die bei der Uraufführung bei wienmodern und e-may 2012 im damaligen Palais Kabelwerk entstanden sind.

 

 

 

Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 18. 2. 2021): Palme Pia . BARE BRANCHES. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/170522 (Abrufdatum: 29. 3. 2024).