
Gerald Futscher © Ensemble Plus
Bislang umfasst Gerald Futschers Werkliste über 100 Kompositionen, in denen sich häufig Querverweise zu Philosophie und Literatur finden lassen. Ein Charakteristikum seines Schaffens bildet unter anderem seine Suche nach neuen, vornehmlich akustisch erzeugten Klängen. Um zu diesen Tönen zu gelangen, entwickelt er Instrumente - so zum Beispiel das fahrradbetrieben Wasserklavier, Joghurtbecherensemble, Rüsselinstrumente, schlauchverlängerte Klarinetten u.a. - und ist damit einer der radikalsten Klangschöpfer Österreichs.
Stilbeschreibung
"Seit jeher beeinflusst die Philosophie des französischen Surrealismus Gerald Futschers künstlerisches Schaffen. In dieser künstlerisch-philosophischen Denkrichtung finden sich zahlreiche Hinweise auf die Symbolik, die Gerald Futscher in seine Kompositionen integriert.
Michel Leiris und Luis Buñuel bestimmen Gerald Futschers Denkweise wesentlich. Offensichtlich wird dies unter anderem im Hinblick auf Buñuels Filme „L’Âge d’or“ (Das goldene Zeitalter) oder „Le Fantôme de la liberté“ (Das Gespenst der Freiheit). Darin wird beispielsweise eine Geige über den Gehsteig gezogen, als wäre sie ein Spielzeug.
Der Umgang mit „heiligen Kulturgütern“ habe ihn schon als Jugendlichen tief beeindruckt, erzählt Gerald Futscher: „Dieser freche, unverschämte Umgang damit. Was mich antreibt, ist der Anspruch, von der ‚Heiligkeit‘ der Kultur wegzukommen und die Kunst ins Leben und die Alltagswelt hineinzuholen.“
Mit den Schriften zur Ökonomie des französischen Philosophen und Schriftstellers Georges Bataille hat sich Gerald Futscher während seines Studiums beschäftigt. Dessen Theorie der Verschwendung lässt sich auch auf Gerald Futschers Musik übertragen, beispielsweise, wenn der Klang als Erfahrung des Exzesses und der Grenzüberschreitung eingesetzt wird.
George Battailes Novelle „Die Geschichte des Auges“ wurde in der Philosophie sowie in der Psychoanalyse viel diskutiert und zunächst auch als pornografische Erzählung skandalisiert. Als Gerald Futscher das Buch in seiner Jugend las, war er begeistert. Symbolträchtig und in unterschiedlichsten Zusammenhängen stehen darin das Ei und auch Wasser als vielschichtige Synonyme für die Sexualität und Entgrenzung sowie zahlreiche andere Bedeutungen."
Silvia Thurner (2025): Überlegte und originelle musikalische Grenzgänge. Gerald Futscher und das Ensemble Plus verbinden eine langjährige Freundschaft. In: mica-Musikmagazin.
"Guy Speyers schätzt an Gerald Futscher und seiner Musik vier künstlerische Qualitäten: Ehrlichkeit, weil er stets seiner individuellen Stilrichtung treu bleibt und die „konservative Komplexität“ seiner meistens kontrapunktisch angelegten Werke. Kreative Elemente erzeugen stets eine besondere Atmosphäre und er handelt immer mit einer konkreten Absicht, fasst Guy Speyers zusammen: „Jeder Ton, jeder Klang, jede Aktion hat eine Bedeutung.“"
Guy Speyer (2025), in: Thurner, Silvia: Überlegte und originelle musikalische Grenzgänge. Gerald Futscher und das Ensemble Plus verbinden eine langjährige Freundschaft. In: mica-Musikmagazin.
"Zur Zeit mach' ich einerseits bewegliche, flexible Klänge, die aus sehr engen und dicht kontrapunktisch geführten Linien aufgebaut sind; andererseits ist mir die Melodie - durchaus im traditionellen Sinn - ein Anliegen."
Gerald Matthias Futscher (1996), zitiert nach: Günther, Bernhard (1997) (Hg.): Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich: Komponisten und Komponistinnen des 20. Jahrhunderts. Wien: music information center austria, S. 452.
Auszeichnungen & Stipendien
1985 L. Bösendorfer Klavierfabrik GmbH Stipendium
1995 Theodor Körner Fonds Förderungspreis
1998 Amt der Vorarlberger Landesregierung: Kompositionsstipendium
2007 Republik Österreich Staatsstipendium
2011 Amt der Vorarlberger Landesregierung: Ehrengabe des Landes Vorarlberg
2013 Republik Österreich Staatsstipendium
2018 1. Preis in der Kategorie Vokalwerke/Liederzyklen, Paul Lowin Preis (Australien) 3 Lieder - aus „Lieder nach Gedichten von M. Houellebecq“
2020 Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport: Kompositionsförderung
Ausbildung
Vorarlberger Landeskonservatorium, Feldkirch: Fagott (Heinz Gies, Allen Smith), Klavier (Jacek Lukasczyk), Komposition (Robert Nessler, Gerold Amann)
1982–198? Universität Salzburg: Philosophie
1985 staatliche Lehrbefähigungsprüfung Klavier
1985–1988 Universität Wien: Philosophie
Konservatorium Wien: Fagott (Leo Cermak, Werner Fagott)
Tätigkeiten
Auftritte als Pianist in Tokio, Sydney, Seattle u.a.
Musikschule der Stadt Dornbirn Dornbirn Lehrer für Komposition und Klavier
Aufträge (Auswahl)
Spielbodenchor
Bregenzer Festspiele
Sonus Brass Ensemble
Aufführungen (Auswahl)
1994 Wiener Festwochen Der wilde Jäger - Oper in einem Aufzug nach einem Libretto von Franz Grillparzer
1997 ORF/Landesstudio Vorarlberg Fish - für Fischerblei, Klavier und Harmonium
1998 Symphonieorchester Vorarlberg Festspielhaus Bregenz No Still Path - für zwei Streichorchester
1999 Osnabrück Klang Art "Dame de mes pensees, au cul de perle fine" - für Mezzosopran, Ensemble und Tonband
2003 Bregenzer Festspiele Kunsthaus Bregenz Hör' den Ruf des faulen Holzes - für Violoncello und Streichorchester
2004 Spielboden Dornbirn Dornbirn Aufführungen mehrerer Werke
2006 Bregenzer Festspiele Bregenz anläßlich der Wiedereröffnung des Festspielhauses
2025 Ensemble plus - Michaela Girardi (vl), Anita Martinek (vl), Guy Speyers (va), Jessica Kuhn (vc) - Ensemble Plus: Tanz der Kakerlaken, Bregenz: Streichquartett Nr. 2 (UA)
Pressestimmen
12. Juli 2003
"Amann bezog sich dabei auf sein neues Stück, gemeinsam mit dem Komponisten Gerald Futscher auf der Ruine Jagdberg mit der Spielgemeinde Schlins erarbeitet: "Formicula". In der Regie von Brigitta Soraperra und der Choreographie von Ursula Sabatin haben Amann und Futscher etwas auf die Bühne gezaubert, das eigentlich ohne Beispiel ist. Es geht um das Leben in einem Ameisenvolk, alles kommt vor, Hochzeit, Arbeit, Kampf, Überleben, Neubeginn. Das alles, ohne daß auch nur ein einziges Wort gesprochen wird. Und dennoch alles in der Handlung klar ist.
Das Verständnis des Klangspiels hat nur eine einzige Grundlage: Die Musik, die durch Geräusche zum Klangbild wird. Es wird kein einziges Instrument verwendet, das man kennt, alles gründet auf der Phantasie von Gerold Amann und Gerald Futscher, ebenso auf der Phantasie jener, die diese "Instrumente" geschaffen haben. Zum Teil waren das Lehrlinge aus Betrieben, die mit den Schlinsern zusammenarbeiten, auf diese Art eine besondere Form des Sponsorings leisten. Damit kippt "Formicula" auch auf dieser Ebene vollkommen aus dem üblichen Rahmen. [...] Mit geringsten finanziellen Mitteln wird eine herausragende, eine tatsächlich sehens- und hörenswerte Produktion auf die Beine gestellt."
Vorarlberger Nachrichten (Walter Fink)
Diskografie
2004: milujma: Musik zum Stück „miluj ma“ des Aktionstehater-Ensembles.
2004: FUTSCHER Sechs Kompositionen von Gerald Futscher. Spielboden, Dornbirn
2005: born to be off-road stump-linshalm (ein_klang records, 015/016)
2008: Musik aus Feldkirch. Porträt-CD Gerald Futscher. (CD Nummer 28) Feldkirch
Literatur
mica-Archiv: Gerald Fuscher
1997 Günther, Bernhard (Hg.): FUSCHER Gerald Matthias. In: Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich: Komponisten und Komponistinnen des 20. Jahrhunderts. Wien: Music Information Center Austria, S. 452.
2011 Auszeichnung für hohe künstlerische Qualität. In: mica-Musikmagazin.
2012 Thurner, Silvia: „Liebst du mich denn nur aus Langeweile?“ - Der Kosmos des Komponisten Gerald Futscher. In: mica-Musikmagazin.
2023 Thurner, Silvia: „Lediglich Musik aufzuschreiben, die ich schon in mir höre, ist mir zu langweilig.“ – Gerald Futscher im mica-Interview. In: mica-Musikmagazin.
2018 Thurner, Silvia: Völlige Hingabe ist ein flüchtiger Zustand. Die vielen Facetten der Musik von GERALD FUTSCHER. In: mica-Musikmagazin.
2025 Thurner, Silvia: Überlegte und originelle musikalische Grenzgänge. Gerald Futscher und das Ensemble Plus verbinden eine langjährige Freundschaft. In: mica-Musikmagazin.
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 2. 7. 2025): Biografie Gerald Matthias Futscher. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/69034 (Abrufdatum: 6. 7. 2025).