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Knessl Lothar

First Name
Lothar
Family Name
Knessl
erfasst als
Komponist:in
Musikwissenschaftler:in
Journalist:in
Interpret:in
Dirigent:in
Künstlerische:r Leiter:in
Ausbildner:in
Genre
Neue Musik
Instrument(e)
Klavier
Stimme
Geburtsjahr
1927
Geburtsort
Brno (Brünn)
Geburtsland
Tschechoslowakei (ehemalig)
Todesjahr
2022
Sterbeort
Wien
Lothar Knessl

Lothar Knessl © Johannes Cizek

"Wer sich in der Szene der Neuen Musik in den letzten Jahrzehnten bewegte, kreuzte selbst ohne bewusste Kenntnis gewiss die Wege Lothar Knessls. Mit seinen schier unerschöpflich wirkenden Energien und seine konstruktive Tatkraft beeinflusste er das heimische Musikleben insbesondere im zeitgenössischen Bereich so nachhaltig wie kaum ein anderer. Am 6. August [Anm.: 2022] ist Lothar Knessl im Alter von 95 Jahren verstorben.

"Lothar Knessl verdanken wir nicht nur die Gründung von mica – music austria. Das Verbindende, das er über seinen gesamten Lebensweg hin zwischen sämtlichen Beteiligten des Musiklebens gestiftet hat, trägt das mica weiter in die Zukunft – seine Begeisterungsfähigkeit für die Neue Musik wird auch über zahlreiche weitere Initiativen und Institutionen, die ohne ihn nicht denkbar wären, weitergegeben", so Sabine Reiter, Geschäftsführerin von mica – music austria.

Geboren 1922 in Brünn, kam er 1947 nach Wien, wo er Musik- und Theaterwissenschaft studierte und Kompositionsunterricht bei Ernst Krenek und Karl Schiske absolvierte. Seine musikjournalistische Tätigkeit begann er in den 1960er-Jahren als Kulturredakteur der Tageszeitung Neues Österreich. 1968 begründete er die Ö1-Sendereihe "Studio Neue Musik", die bis heute als "Zeit-Ton" regelmäßig und umfassend samt ausführlicher Werkmitschnitte und Aufnahmen über das aktuelle Musikschaffen informiert. Als Moderator führte er lange Zeit auch selbst pointiert und kenntnisreich durch die Sendung, wie er auch in seinen Beiträgen für einschlägige Zeitschriften tat. Seine umfassenden Kenntnisse gab er auch in Form von Lehrveranstaltungen am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien weiter und legte so für zahlreiche Studierende einen ersten Stein für das Wissen über zeitgenössische Musik, insbesondere im Bereich des Musiktheaters. Ab 1971 leitete er das Pressebüro der Österreichischen Bundestheater und von 1986 bis 1991 war er als Pressereferent der Wiener Staatsoper tätig.

Gleichzeitig setzte er sich im Konzertbereich intensiv für die Aufführung Neuer Musik ein. 1972 und 1982 organisierte er je ein Weltmusikfest und trug maßgeblich zur Gründung von Wien Modern im Jahr 1988 bei. Beim "Erste Bank Kompositionspreis", der im Rahmen von Wien Modern vergeben wird, wirkte er seit 1991 als Koordinator und Juror. Von 1992 bis 2000 stand er Österreich-Sektion der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik als Präsident vor. Als er zwischen 1993 und 1996 gemeinsam mit Christian Scheib als Musikkurator des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst unter Rudolf Scholten fungierte, gründete er gemeinsam mit seinem Kollegen 1994 mica – music austria. Dass er in dieser kurzen Zeit ebenfalls mit Christian Scheib die Klangnetze initiierte, dokumentiert seinen Einsatz für die Vermittlung Neuer Musik auf neuartige Weise. Dem Klangforum Wien war er seit dessen Gründung engstens verbunden. Für seinen vielfältigen Einsatz wurde er etwa 1994 Silbernen Ehrenzeichen bedacht, 2010 kam das Goldenes Ehrenzeichen für um das Land Wien hinzu.  

Dass er an so vielen unterschiedlichen Stellschrauben des Musiklebens angesetzt hat, mit denen er jeweils aus einem anderen Blickwinkel auf die Musikszene einwirkte, zeugt von seiner organisatorischen Kompetenz, seinem Geschick des Vernetzens und seinem Weitblick – vieles davon hat weiter Bestand [...]."
mica-Musikmagazin: Lothar Knessl (1927-2022) (mica, 2022)

Stilbeschreibung

"In seinen Kompositionen treten durch die Begegnung mit der Musik von Paul Hindemith, Belá Bartók und Igor Strawinsky bedingte neoklassizistische Elemente (Klassizismus) bald zugunsten einer tonalitätsfreien, auf variativer Motivik basierenden Gestaltung zurück, die sich schließlich der Zwölftontechnik annähert."
Oesterreichisches Musiklexikon online: Lothar Knessl (Michael Aschauer, 2022), abgerufen am 08.08.2022 [https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_K/Knessl_Lothar.xml]

Auszeichnungen

1988 Republik Österreich: Berufstitel "Professor"
1994 Amt der Wiener Landesregierung: Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste
2010 Amt der Wiener Landesregierung: Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste
2011 ACOM – Austrian Composers Association: Ehrenmitglied

Klangforum Wien: Ehrenmitglied

Ausbildung

Konservatorium Brünn (Tschechische Republik): Klavier

19501956 Universität Wien: Musik- und Theaterwissenschaft
19501956 mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien: Komposition (Karl Schiske, Ernst Krenek)
19571960 Kompositions-Workshops - Internationale Ferienkurse für Neue Musik Darmstadt (Deutschland): Teilnehmer

Tätigkeiten

19471949 Wiener Sängerknaben: Präfekt, Aushilfskapellmeister
1950–1956 Wien: Produktionsassistent und Komponist für Werbefilme
1950–1956 Wien: Sänger u.a. im Wiener Kammerchor, Wiener Singverein, Chor des Wiener Burgtheaters
19601967 Tageszeitung "Neues Österreich", Wien: Kulturredakteur
19671971 Wiener Staatsoper: Disponent, Redakteur der Programmhefte
19672016 Österreichischer Rundfunk (ORF) – Ö1, Wien: Programmgestalter (u.a. Sendung "Studio Neuer Musik", später umbenannt in "Zeit-Ton")
19672016 Musikprotokoll im Steirischen Herbst - Österreichischer Rundfunk – ORF: Berichterstatter, Berichterstatter
19711986 Pressebüro - Bundestheater-Holding GmbH, Wien: Leiter, alleinverantwortlicher Redakteur der Programmhefte (Wiener Staatsoper, Wiener Volksoper)
1972 Weltmusikfest - ISCM/IGNM/SICM – Internationale Gesellschaft für Neue Musik, Graz: Organisator
19721974 Programmkuratorium - Steirischer Herbst: korrespondierendes Mitglied
1982 Weltmusikfest - ISCM/IGNM/SICM – Internationale Gesellschaft für Neue Musik, Graz: Organisator
1985–2022 Klangforum Wien: enge musikalische/kompositorische Zusammenarbeit
1986–1991 Institut für Musikwissenschaft - Universität Wien: Lehrbeauftragter (Musikgeschichte des 20. Jhdts.)
1986–1991 Wiener Staatsoper: Pressereferent, Redakteur der Monatsschrift "Wiener Staatsoper aktuell"
1988–1993 Wien Modern: Mitbegründer, Programmbeirat, Redakteur, Kurator
1991 Wien: Pensionierung, danach weiterhin Juror/Beirat in verschiedenen Gremien
1991–2016 Erste Bank Kompositionspreis - Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG: Kurator, Juror
1992–2000 Internationale Gesellschaft für Neue Musik – IGNM Österreich, Wien: Präsident
1993–1996 Bundesministerium für Unterricht und Kunst: Musikkurator; gemeinsam mit Christian Scheib
1993–1996 Klangnetze: Initiator; gemeinsam mit Christian Scheib
1994–2001 mica - music austria, Wien: Mitbegründer, Präsident
2001–2022 Kuratorium - mica - music austria, Wien: Vorsitzender

Publikationen in zahlreichen Zeitungen/Fachzeitschriften, u.a. im "Neuen Forum", "Heute", "Opernwelt", "Theater heute", "Melos"

Aufführungen (Auswahl)

2016 Lange Nacht der Musik - Österreichischer Rundfunk (ORF) – Ö1, Wien: Knessl-Schwerpunkt (Knesslmania)

Pressestimmen

08. April 2017
"Als "Motor der zeitgenössischen österreichischen Musik" würdigte der Wiener Konzerthaus-Dramaturg Christoph Becher einmal den ehemaligen Bundes-Musik-Kurator Lothar Knessl. "Ohne seine verbindende Kraft wäre die zeitgenössische Musik Österreichs ein wertloses, ja zerrissenes Sieb". In zahlreichen Funktionen und mit vielfältigen Aktivitäten, auch als Komponist, hat Lothar Knessl sich den Ruf eines Vorkämpfers und Protagonisten der Neuen Musik erworben [...]."
Österreichischer Rundfunk (ORF) – Ö1: Lothar Knessl ist 90, abgerufen am 09.05.2022 [https://oe1.orf.at/artikel/201666/Lothar-Knessl-ist-80]

09. November 2016
"Für Generationen von Musikhörern war er immer schon da – und ist es in seinem 90. Lebensjahr mit der ihm eigenen geistigen Souveränität, launigen Frische und scharfsinnigen Wachheit noch immer: Lothar Knessl, Vermittler Neuer Musik, Autor, Komponist und Kurator [...]. Seine Kritiken, die er ab 1960 schrieb, verraten aus der zeitlichen Distanz nicht nur einen stets pointierten Umgang mit unterschiedlichen musikalischen Phänomenen, sondern ebenso eine Urteilskraft, die sich mit dem seither entstandenen historischen Bild erstaunlich oft deckt. Knessls Radiosendungen, die er neben seiner Tätigkeit bei der Wiener Staatsoper und in anderen Funktionen zwischen 1967 und 2011 regelmäßig gestaltete, sind ohnedies legendär. Nicht zuletzt war Knessl bei der Gründung von Wien Modern 1988 entscheidend beteiligt. Er ist eben nicht nur Vermittler, Autor, Komponist und Kurator, sondern hat als Weichensteller die Neue-Musik-Landschaft dieses Landes nach dem Zweiten Weltkrieg mitgeprägt wie kein anderer."
Der Standard: Lothar Knessl: Eine Ausstellung zu Ehren des Musikmentors (Daniel Ender, 2016), abgerufen am 09.05.2022 [https://www.derstandard.at/story/2000047255996/lothar-knessl-eine-ausst…]

28. April 2012
"Die Wegstrecke, die Lothar Knessl durchmessen hat, ist unvergleichlich weit dimensioniert. Dass er der Musik im weiten Feld die Präferenz einräumt, mag man dabei fast als akzessorisch ansehen. Und es gibt Eckpfeiler, die diesen Weg umfrieden und abstecken [...]. Nun gehört Knessl nicht zu den Personen, die sich reichlich und gern dekorieren lassen. Die Verleihung des "Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst" [...] würdigt in der Endkonsequenz den Universalisten, der wie kaum ein Anderer das österreichische Musikleben formte. Zu seinen Verdiensten gehört, neben den vielen an diesem Abend noch genannten, insbesondere das Engagement für die Neue Musik [...]."
nmz – neue musikzeitung: Die Bewegung hört nicht auf (Anke Kies, 2012), abgerufen am 09.05.2022 [https://www.nmz.de/artikel/die-bewegung-hoert-nicht-auf]

12. April 2012
"Man möchte gar nicht darüber nachdenken, wie das hiesige Musikleben speziell im Bereich der Neuen Musik aussehen würde, würde Lothar Knessl es nicht mit seinen schier unerschöpflichen Energien und seinem konstruktiven Tatendrang ebenso bedacht wie nachhaltig prägen. Denn was wäre die Neue Musik-Szene ohne die von ihm initiierte Sendung Zeitton? Ohne Wien Modern, das er gemeinsam mit Claudio Abbado mitbegründet hat und für das er den zunächst als Wiener Internationalen Kompositionswettbewerb eingeführten und heute als Erste Bank Kompositionsauftrag bekannten Preis mitkurariert? Oder ohne seine ebenso pointierten wie fachkundigen Beiträge zu KomponistInnen unserer Tage? Nicht zuletzt auch als Mitbegründer des mica – music austria, für das er heute noch als Vorsitzender des Kuratoriums aktiv ist [...]."
mica-Musikmagazin: Alles Gute zum 85. Geburtstag, Lothar Knessl! (mica, 2012)

Literatur

mica-Archiv: Lothar Knessl

2007 Rögl, Heinz: Gerd Kühr, Heinz Karl Gruber und das Klangforum Wien attackierten Lothar Knessl im Konzerthaus mit einer Uraufführung. In: mica-Musikmagazin.
2008 Knessl, Lothar: Podiumsdiskussionen über "Publikumswandel: Herausforderungen für die Kunstmusik in der ganzen Welt" im Konzerthaus – Beitrag von Lothar Knessl. In: mica-Musikmagazin.
2009 Rögl, Heinz: Konzerthaus: “50 Jahre Ensemble die reihe” unter der Leitung Friedrich Cerhas. In: mica-Musikmagazin.
2010 mica: Lothar Knessl erhält das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien. In: mica-Musikmagazin.
2011 Rögl, Heinz: Eröffnungskonzert WIEN MODERN im Großen Konzerthaussaal: Friedrich Cerhas "Spiegel I-VII" mit dem ORF-RSO Wien (Nachbericht). In: mica-Musikmagazin.
2012 mica: Alles Gute zum 85. Geburtstag. In: mica-Musikmagazin.
2012 Kies, Anke (2012): Die Bewegung hört nicht auf. In: nmz – neue musikzeitung, abgerufen am 09.05.2022 [https://www.nmz.de/artikel/die-bewegung-hoert-nicht-auf].
2016 Rögl, Heinz: Bilanz der ersten drei Wochen von WIEN MODERN 2016: Versuch einer Rekapitulation und Würdigung. In: mica-Musikmagazin.
2017 Österreichischer Rundfunk (ORF) – Ö1: Lothar Knessl ist 90, abgerufen am 09.05.2022 [https://oe1.orf.at/artikel/201666/Lothar-Knessl-ist-80].
2018 Giannini, Juri / Holzer, Andreas / Jena, Stefan / Polak, Jürgen (Hrsg.): Lothar Knessl. Vermittler neuer Musik, Autor, Komponist, Kurator. Reihe: Aus dem IMI-Archiv. Wien: Hollitzer Verlag.
2018 mica: Neuerscheinung: Lothar Knessl – Vermittler neuer Musik, Autor, Komponist und Kurator. In: mica-Musikmagazin.
2021 Erste Bank der Österreichischen Sparkassen: Porträt Lothar Knessl (2021), abgerufen am 09.05.2022 [https://www.sponsoring.erstebank.at/de/kunst-und-kultur/musik/eb-kompositionspreis/lothar-knessl].
2022 mica: Lothar Knessl wird 95 – herzlichen Glückwunsch! In: mica-Musikmagazin.
2022 mica: Lothar Knessl (1927-2022). In: mica-Musikmagazin.

Publikationen des Künstlers (Auswahl)
1967 Knessl, Lothar: Ernst Krenek: Reihe: Österreichische MUSIKZEITedition - Komponisten unserer Zeit, Band 12. Wien: Lafite.
1979 Knessl, Lothar: Österreichisches Komponistenpanorama - Über die Generation nach Cerha und Haubenstock-Ramati. In: Neue Zeitschrift für Musik 140 (1979), Heft 1, S. 31f.

Quellen/Links

Wikipedia: Lothar Knessl
Oesterreichisches Musiklexikon online: Lothar Knessl (Michael Aschauer, 2022)
IKT-ÖAW: Interview mit Lothar Knessl (2014)

Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 29. 3. 2023): Biografie Lothar Knessl. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/57700 (Abrufdatum: 21. 12. 2024).

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