Bertl Mütter © Stefan Nuetzel
"Bertl Mütter ist 1965 in Steyr geboren. Im Zentrum seiner musikalischen Arbeit steht das Solospiel, das sich auf vertraute und auch entferntere Traditionen bezieht. Bertl Mütter spielt aber auch gerne in (kleineren) Ensembles, wenn das auf einander Hören praktiziert wird. Und er arbeitet/e mit Autor/inn/en wie H.C. Artmann, Franzobel, Josef Haslinger, Ernst Jandl, Gert Jonke und Angela Krauß zusammen. Auch Wurmlöcher zur mittelalterlichen Musik haben sich zwischenzeitlich aufgetan (ars choralis coeln et al.). Duoarbeit mit Miki Skuta (p), Matthias Loibner (drehleier) und Christoph Cech (p). Workshopleiter für improvisierte Musik (im akademischen Bereich, aber auch für Laien – SPIELEN!). Als primus inter pares leitet er »Dr. Mütter’s Ensemble der radikalen Mitte – ERM«), um seine Kompositionen und Spielanweisungen adäquat zu erarbeiten, etwa OPERAN! (2016) oder das schwere und das leichte (dsudl) bei der styriarte 2011. Eine wachsende Zahl junger, neugieriger Musiker*innen bestellt Kompositionen bei ihm – für die Schublade schreibt er nämlich nicht.
Bertl Mütter gilt heute als der große österreichische Posaunenindividualist, der sein Publikum mit einer sehr persönlichen Musik zu bannen versteht. 2001 präsentierte er seine Staunen machende Nachkomposition der schubertschen Winterreise einem vorerst irritierten, dann umso begeisterteren Publikum. Nach der akklamierten Solo-CD parlando (ARBE 12, 2004) folgte 2005 muetters muellerin (ARBE 13, 2006). Im Rahmen und als Auftrag der styriarte wurde 2006 muetters dichters liebe (nach schumann nach heine) uraufgeführt (CD ARBE 14, 2008). 2010 folgten die mütterkinderlieder (nachmahler) zu Mahlers Kindertotenliedern (CD Raumklang RK 3009). Im (ersten) Lockdown hat er in wie systematischen auscultationes den Stephansdom abgehört (CD ARBE 15, 2020).
Staatsstipendium 2002, Anton Bruckner Stipendium 2003, Komponistenforum Mittersill 2003, Arbeitsstipendium des Bundes 2005. 2010–2013 Stipendiat der Kunstuni Graz (künstlerisches Doktorat).
Seit 2014 lädt der promovierte Doctor artium in seine Schule des Staunens, u.a. ins Wiener Konzerthaus. Im September 2016 präsentierte er bei den Musiktheatertagen Wien mit OPERAN! Übers Entkommen sein erstes dezidiertes Musiktheaterwerk. Für 2021 ist OPERAN21 – LOGORATORIUM geplant."
Bertl Mütter (2021): Bio, kurz, abgerufen am 27.9.2021 [https://www.muetter.at/cms/g/bio/bio-kurz/]
Stilbeschreibung
"Was ist ein komponierender Improvisator, improvisierender Komponist, realtime-composer? Gebundene Improvisation? Einem Thema nachgehen, es umkreisen, bis ins Tierische. Nicht den Schreibtisch, die Instrumente befragen, in sie hineinhorchen. Sammeln und ernten; die gewachsene Architektur betrachten, die inneren Proportionen aber ganz dem Augenblick des Erstehens überlassen. Es ist ein Wesen des Kreises, daß beim Punkt 180° die Position 0° zu 100% falsch ist. Oder ist beides gleichzeitig möglich? Um ein Zentrum zu kreisen, das zu erreichen uns möglicherweise verbrennen würde, in der richtigen Distanz aber das Leben erhält. Meine Mittel sind Posaune, Stimme, manchmal Live-Elektronik und viele kleine Instrumente. Aber das bedeutet nichts Inhaltliches. Jedenfalls will ich mich auf jene Kreisbahn begeben.
Als Solist beziehe ich mich gerne auf die Tradition im Spannungsfeld zwischen Komposition und Improvisation. Die einzige Tradition, bei der ich überhaupt die Chance habe, sie annähernd authentisch zu verstehen, ist die, in die ich hineingeboren wurde. Ich lasse mich jedoch gerne von außen beeinflussen und baue in diesem Sinn fremde Elemente in meine Kunst ein. Meine Vorfahren waren aber weder Baumwollpflücker in den Südstaaten noch sibirische Schamanen; ich kann daher nur Betrachter solcher Traditionen sein. Mein Hauptinstrument, die Posaune, besitzt ein kaum ernstzunehmendes klassisch-romantisches Repertoire, ein Vorteil, denn ausbildungsbedingtes Erschaudern vor ihr gewidmeten Meisterwerken kenne ich nicht. So kann ich mich beschäftigende Werke - improvisatorisch und mit eigenem Material angereichert - in der Konzertperformance recht unvorbelastet an mir vorbeiziehen lassen. Wer allein in der Badewanne singt, hört innerlich das ganze Orchester, kein Instrument geht ihm ab; meine Badewanne steht auf der Bühne, ein sehr intimer Vorgang."
Bertl Mütter, "Wandern" (1993) und "Badewannenmusik" (1996), zitiert nach: Günther, Bernhard (1997) (Hg.): Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich: Komponisten und Komponistinnen des 20. Jahrhunderts. Wien: music information center austria, S. 749.
Auszeichnungen
1989 Stadt Graz Musikförderungspreis
1992 Bundeskanzleramt Österreich Kunst und Kultur Förderungsbeitrag
1994 Werkstadt Graz Österreichbild-Preisträger
2002 Bundeskanzleramt Österreich Kunst und Kultur: Staatsstipendium für Komposition
2003 Amt der Oberösterreichischen Landesregierung: Anton-Bruckner-Stipendium
2003 KomponistInnenforum Mittersill composer in residence
2005 Bundeskanzleramt Österreich Kunst und Kultur Arbeitsstipendium
2010 Universität für Musik und darstellende Kunst Graz - 2013 Stipendiat
2021 Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport: Kompositionsstipendium
Ausbildung
Universität für Musik und darstellende Kunst Graz Graz Studium Posaune
Universität für Musik und darstellende Kunst Graz Graz Studium Stimme
1990 Universität für Musik und darstellende Kunst Graz Graz Diplom
2010 - 2013 Universität für Musik und darstellende Kunst Graz Graz künstlerisches Doktoratsstudium Kühr Gerd
Tätigkeiten
1987 Gründung und seitdem Mitglied im improvisierenden Vokalquartett "Timbre" mit Lauren Newton, Elisabeth Tuchmann, Oskar Mörth
1997 seitdem Mitglied bei den Striped Roses
2001 CD-Aufnahme mit den Gästen Joelle Leandre (Bass, Gesang), Fritz Hauser (Schlagzeug), Urs Leimgruber (Saxophon)
2001 Musik zur, zwischen und gegen die Rezitation von Otto Brusatti (Uraufführung: 08.12.2001)
Advanced Cabaret: Doppelconferencen mit dem Autor Franzobel
Franui Franui+Mütter: kommentierende Bearbeitung (Schubert, Mahler) und Mitwirkung beim (Trauermarsch-)Programm "Frische Ware" der Osttiroler Musicbanda (Uraufführung: 02.06.1999)
Haslinger-Mutter-Puntigam
Mutter.Essl.Roidinger: mit Karlheinz Essl (Computer) und Adelhard Roidinger (E-Bass, Elektronik)
Duo mit dem Geiger Thomas Fheodoroff, Auftragswerke von u.a. Bert Breit, Christoph Cech, Christian Mühlbacher
Duo mit der Vokalistin Agnes Heginger
freischaffender Komponist und Projektleiter, pädagogische Tatigkeit (Workshops), Theaterarbeit
langjährige Arbeit mit der Saxophonistin Co Streiff
Literatur-Musik-Performances mit dem Autor Josef Haslinger und Werner Puntigam, u.a.: "Die Entdeckung Amerikas"
Cech-Mütter Lobgesänge
Nouvelle Cuisine Bigband Mitglied
multimediale Projekte mit Werner Raditschnig: "19 Days - Multiple Summer", "Totengesänge", "Merlin", "Der Eisenhammer" u.a.
Quartett mit Florian Bramböck (Saxophon), Christoph Cech (Klavier) und Johann Steiner (Bassklarinette)
Rezitator und Vokalist/Posaunist beim lyrisch-delirischen Wortkonzert "Kadash Am Berg" (Text: Roland Heer)
Zusammentreffen mit Ernst Jandl, Abdullah Ibrahim/Dollar Brand 2014
Aufträge (Auswahl)
Culturcentrum Wolkenstein
Stadt Graz
open music Graz
Forum Feldkirch - Musik des 20. Jahrhunderts
Lambeart
Diözese Graz-Seckau
Kunsthalle Krems / Kunstmeile Krems BetriebsgesmbH
Wiener Konzerthausgesellschaft
Musik Kultur St. Johann (MUKU)
Toihaus -Theater am Mirabellplatz
Internationale Paul Hofhaymer Gesellschaft Salzburg
Tiroler Festspiele Erl
Musikwoche Toblach in memoriam Gustav Mahler
oenm . oesterreichisches ensemble für neue musik
stART / Festival aktueller Musik
Kunsthalle Steyr
Sammlung Essl
Nouvelle Cuisine Bigband
Steyrer Initiative gegen Atomgefahren
Notruf für vergewaltigte Frauen, Graz
Afro-Asiatisches Institut, Graz
Büro für Kulturvermittlung, Wien (Lehrlingskulturfestivals)
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main
Aufführungen (Auswahl)
open music Graz
Kunsthalle Krems / Kunstmeile Krems BetriebsgesmbH Krems
Hörgänge - Musik in Österreich Wiener Konzerthaus
Musik Kultur St. Johann (MUKU)
Brucknerhaus Linz Linz
Tiroler Festspiele Erl Erl
Musikforum Viktring-Klagenfurt Klagenfurt
Kunsthalle Steyr Steyr
Festival der Regionen Wels
stART / Festival aktueller Musik Salzburg
Musikwoche Toblach in memoriam Gustav Mahler
Leipzig BACH 2000, Thomaskirche
CineForum do Funchal Madeira
Gmunden Kulturvermerke
Lehrlingskulturfestivals in Linz, Kapfenberg, Murau
Gurk Musikalischer Spätsommer Gurk
Madrid Paralelo
Radio France Paris
Feldkirch SchubertAde
steirische Landesausstellung, Pollau
Jazzfestivals (Auswahl): Saalfelden, Kopenhagen (EBU), Leipzig, Greifswald, Yokohama
Styriarte Landpartie, Oberwolz und St. Lambrecht
Sammlung Essl Klosterneuburg
2021 Wien Modern - MÜTTER: LOGORATORIUM - Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien: Operan21 – Logoratorium (UA)
2024 Jesse Inman (Stimme, Performance), Stefanie Sourial (Stimme, Performance), Florian Fennes (Saxophon), Bogdan Laketic (Akkordeon), Bertl Mütter (Posaune), Ana Topalovic (Violoncello), Tina Žerdin (Harfe), Nina Kusturica (Regie), Wien Modern - MARGARETA FEREK-PETRIC / ARNOLD SCHÖNBERG. DIE PRINZESSIN - EIN SCHÖNBERGMÄRCHEN, Dschungel Wien: Die Prinzessin – ein Schönbergmärchen (UA, Margareta Ferek‐Petrić)
Pressestimmen
"Alltägliche Ver-Laut-Barungen wie Schnaufen, Schnarchen, Stöhnen oder das Lachen ... werden zu abenteuerlichen Klangexpeditionen, zu Soundresearches. Da wird zart diskutiert und hart geflirtet."
Jazzthetik
"Wie Wind an Felsnadeln orgelt das Blech. Mütter produziert Laute weit hinten in der Kehle, er wiehert, er forciert Frikative und Vibranten: Steinschlag; flatternde Posaunenklänge zerreißen die Luft."
Aargauer Nachrichten
"Wen also besser einladen für eine musikalische Performance als Bertl Mütter? Alles kann bei ihm zur Musik werden, auch Nymphen, Zyklone und Fossilien: Posaune, Euphonium und Muschelhorn spielend, allerlei Perkussionsgegenstände bearbeitend, singend, sprechend, sich selber mit Regengeräuschen begleitend: Mütter versteht es, in der Minoritenkirche Stein aus so genannten Alltäglichkeiten "written images" (CD ARBE 8) zu kreieren: visuelle Musiken unter besten akustischen Voraussetzungen."
Salzburger Nachrichten (Wolfgang Gratzer)
Literatur
1997 Günther, Bernhard (Hg.): MÜTTER Bertl. In: Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich: Komponisten und Komponistinnen des 20. Jahrhunderts. Wien: Music Information Center Austria, S. 748–750.
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 29. 10. 2024): Biografie Bertl Mütter. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/60706 (Abrufdatum: 27. 12. 2024).