"Wie bekannt gegeben wurde, ist der Jazzmusiker und Komponist ULI SCHERER im Alter von 65 Jahren in Villach gestorben. Mit ULI SCHERER verliert die österreichische Jazzszene zweifelsohne eine seiner kreativsten und prägendsten Persönlichkeiten.
Die musikalische Karriere des in Villach geborenen Musikers und Komponisten, der an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien Klavier studierte, war eine vieler aufregender Stationen und wegweisender Projekte. So gehörte er zu der Gründergruppe des legendären Vienna Art Orchestras, dem er von 1977 an über 20 Jahre die Treue hielt. Ebenfalls nicht unbemerkt blieben auch andere seiner Projekte, wie etwa jene mit dem ebenfalls aus Kärnten stammenden Jazzer Wolfgang Puschnig (AM4, SamulNori & Red Sun). Auch mit dem oberösterreichischen Saxofonisten Klaus Dickbauer und dem Schriftsteller Ernst Jandl kreuzten sich die Wege des für seinen warmen Klang und eigenständigen Stil geschätzten Musikers.
Als Komponist war Uli Scherer unter anderem für den Arnold Schönberg Chor tätig. Zudem war er an zahlreichen Theaterproduktionen in Österreich und der Schweiz beteiligt. Damit nicht genug lehrte der Kärntner auch an der Jazzschule St. Gallen und an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien."
mica-Musikmagazin: Uli Scherer gestorben (2018)
- Stilbeschreibung
Es ist vor allem seine warme und eigenständige Stilistik, die ihn zu einem der herausragensten Musiker der österreichischen Jazzszene werden ließ. In seinen Kompositionen ging er sehr einfühlsam unterschiedlichen musikalischen Systemen von Eric Dolphy bis zu John Cage auf den Grund.
Verena Platzer (2025)"... bei Bartók zum Beispiel merkst du plötzlich, daß er ein neues System von Dominantdenken findet, das auf Kleinterzschritten aufbaut, mal kurz erklärt. Und jetzt weiß man: Aha, der hat irgendein symmetrisches System erfunden, nicht erfunden, sondern man kann's nur finden. Und wenn der Zeiger jetzt zurückschlägt zum Jazz, dann hast Du gemerkt, daß die Dominant-, Subdominant- und Nebendominantgeschichten, die man so kompliziert gelernt hat, eigentlich dasselbe sind, was der Bartók gemacht hat, nur daß man's halt anders denkt. Jetzt kann man plötzlich das Material abstrakt sehen und sagen: Jetzt lass' ich das einmal nur so sein, wie's ist, wie's von selber anfängt, etwas zu kreieren, Dir zu zeigen, wie Du damit ungehen kannst.
Was mich am meisten interessiert: Ich bau' trotzdem immer das Material, das ich gefunden habe, immer wieder in eine »normale« Geschichte ein. Das ist das Wichtigste für mich: die Form finden mit anderem Material. Zum Beispiel hätte ich nie Lust, ein purer Zwölftonmusiker zu sein; wenn ich Zwölftongeschichten verwend', dann, um mich herauszufordern und trotzdem aus dem Material ein Stück zu machen, das für einen Jazzschlagzeuger irgendwie auch gut klingt. Für mich ist es viel Arbeit, zum Spielen ist es auch viel Arbeit, und klingen tut's aber dann überhaupt nicht so, weil's dann trotzdem nach Jazz klingt. Zuerst gibt es eine bestimmte rhythmische Struktur, die mir einfach so, als solche gefällt; und dann bin ich noch lang' nicht damit fertig, welches Material ich verwend', was die Melodik davon sein wird. Nachdem ich auch Architektur studiert habe, hab' ich immer das Gefühl, ich kann da jetzt bauen, wie ein kleines Gebäude: Da geht's hoch, da geht nur das Sextett weiter, da kommt wieder der volle Satz, und das muß laut und hoch sein, um das einfach zu beschreiben. Meine Notizbücher sind zuerst immer voll mit Grafiken, Dreiecken, die rauf und runter gehen, Zahlenverhältnissen. Das kann dann Dynamik sein oder Verdichtung von der Melodik oder Besetzung oder Harmonik. Das ist ja das Komplizierteste, was ein Komponist organisieren muß: Dadurch, daß Du so lange Zeit hast, drei Wochen für 3 Sekunden, kannst Du soviele Ideen dazu haben, daß Du dann sagst: Naja, das ist aber jetzt zuviel. Das ist natürlich bei Webern phantastisch, wenn man sich so reduzieren kann. Obwohl's natürlich vollkommener Blödsinn wäre, dasselbe nocheinmal zu machen."
Uli Scherer (1996), zitiert nach: Günther, Bernhard (1997) (Hg.): Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich: Komponisten und Komponistinnen des 20. Jahrhunderts. Wien: music information center austria, S. 951.- Auszeichnungen
1988 unterhaus - Mainzer Forum-Theater (Deutschland): Deutscher Kleinkunstpreis
1990 Stadt Aargau (Schweiz): Kulturpreis
1996 Stadt Villach: Kulturpreis- Ausbildung
Kärntner Landeskonservatorium, Klagenfurt: Klavier (Waltraud Handl)
1971–197? Technische Hochschule Wien: Architektur - Abbruch
1971–197? Konservatorium Privatuniversität Wien: Jazzklavier, Jazztheorie, Arrangement - Diplom
Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien: Elektroakustik (Dieter Kaufmann), Zwölftonspiel (Victor Sokolowski)- *Tätigkeiten
1971–2018 Veranstalter zahlreicher eigener Projekte/Programme, u. a. von: "Plötzlich ging die Sonne aus", "Die Welt bin ich" (2006), "An der Bar jeder Vernunft", "Züge", "Mains pour Demain", Fe & Males (1992, mit Mathias Rüegg)
1977–1997 Vienna Art Orchestra: Uraufführungen einiger seiner Kompositionen
1978 Österreichischer Rundfunk – ORF: Komponist für TV-Produktionen, bspw. für: Man wird ja noch fragen dürfen
1986–1990 Jazzschule St. Gallen (Schweiz): Dozent
1988–1991 Österreichischer Rundfunk – ORF: Komponist für TV-Produktionen, u. a. für: Arbeitersaga
1995–2005 Institut für Popularmusik - Hochschule / mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien: Lehrbeauftragter (Jazzklavier)
2006–20?? Lehrer (Jazztheorie)Zusammenarbeit mit zahlreichen bekannten Künstler:innen/Musiker:innen/Ensembles, bspw. mit: Monika Trotz, Wolfgang Schiftner, Ursula Slawicek, Gerhard Graml, Clemens Salesny, Peter Herbert, Harry Sokal, Georg Breinschmid, Karl Fian, Elfi Aichinger, Mathias Rüegg, Klaus Dickbauer, Albert Mangelsdorff, Eberhard Weber, Günther Sommer, Kenny Wheeler, Matthieu Michel, Jon Sass, Wolfram Berger, eXtracello, NDR Bigband, Art of Brass Vienna, Capella Con Durezza
Schüler:innen (Auswahl)
Christian Gonsior, Edith Lettner, Karen Schlimp, Adriane Muttenthaler, Judith UnterpertingerMitglied in Ensemble/Band/Orchester
1974–197? Socrates Sixtinix Bongoloids: Pianist (gemeinsam mit Wolfgang Puschnig (asax, bcl)
1977–1997 Vienna Art Orchestra: Mitbegründer (mit Mathias Rüegg, Wolfgang Puschnig), Pianist, Keyboard-Spieler
1981–1983 Part of Art: Pianist (gemeinsam mit Wolfgang Puschnig (asax, bcl), Wolfgang Reisinger (perc, schlzg), Herbert Joos (flh), Jürgen Wuchner (db)) - Auftritte in Österreich, Deutschland, Schweiz, FrankreichAlberta G.: Pianist (gemeinsam mit Ali Gaggl (voc), Wolfgang Puschnig (sax, fl), Uli Scherer (piano), Rudi Melcher (git), Karl Sayer (bass), Emil Krištof (schlzg))
AM 4: Pianist (gemeinsam mit Linda Sharrock (voc), Wolfgang Puschnig (asax, fl))
Ernst Jandl & Band: Pianist, Perkussionist, Keyboard-Spieler, Arrangeur
Glasebniki - A Band from Home: Pianist (gemeinsam mit Emil Krištof (schlzg), Ali Gaggl (voc), Karl Sayer (db), Wolfgang Puschnig (sax))
Lauren Newton Trio: Pianist (gemeinsam mit Lauren Newton (voc, perc), Thomas Horstmann (e-git, ac-git))
Michel, Matthieu / Uli Scherer: Pianist (gemeinsam mit Matthieu Michel (flh))
Minimal T.r.i.o.: Pianist (gemeinsam mit Ali Gaggl (voc), Emil Krištof (schlzg))
Nature Way: Pianist (gemeinsam mit Klaus Dickbauer (sax, cl), Herbert Joos (flh), Georg Breinschmid (db), Mario Gonzi (schlzg))
Vienna Art Choir: Pianist, Arrangeur-----
SamulNori & Red Sun
Trio mit Wolfgang Puschnig und Jamaaladeen Tacuma- Aufträge (Auswahl)
Aufträge u. a. durch: Arnold Schönberg Chor, Ensemble Kontrapunkte, Art of Brass Vienna
- Aufführungen (Auswahl)
2002 Schloss Damtschach bei Wernberg: Inside Sights of Land(e)scapes
als Interpret
1999 Ali Gaggl (voc), Uli Scherer (pf), Franz Hautzinger (tp), Michael Erian (sax), Martin Siewert (git), Achim Tang (db), Emil Krištof (schlzg), Wolfgang Puschnig (dir) - im Rahmen des "Internationalen Gustav Mahler Kompositionspreises" - Musikforum Viktring-Klagenfurt: Holes (III) (UA, Alexander J. Eberhard)- Pressestimmen (Auswahl)
2001
über: Traces - Wolfgang Puschnig, Uli Scherer (Emarcy Records/Universal Music, 2001)
"Vor allem die kleinen Pausen sind es, die so meisterhaft gesetzt sind und uns nach den folgenden Tönen dürsten lassen. Wer es versteht, gerade in Duo Besetzung eine solch atmosphärische Dichte entstehen zu lassen, gehört zur Creme de la Creme was der Jazz im 21 Jahrhundert zu bieten hat. Puschnig und Scherer gehören da sofort genannt."
Jazzeit (Christian Bakonyi, 2001)- *Diskografie (Auswahl)
2010 A Notion In Perpetual Motion - Vienna Art Orchestra (hathut records)
2000 Vocalize (mit Ali Gaggl, U. Scherer, Emil Kristof u. a., PG Records)
1984 Sokal Scherer Kaenzig Dudli (zusammen mit Harry Sokal, Heiri Kaenzig, Dudli; Extraplatte)A Tribute to - Uli Scherer
Mehr als 20 Alben mit dem Vienna Art Orchestra
Alben mit Part of Art, SamulNori, Timeless
2019 Uli Scherer Memorial Concert (Skylark Production)
*2006 Voices from the Inside Passage – Trio mit Wolfgang Puschnig und Jamaaladeen Tacuma
*
*1996 Makara - Mathieu Michel, Thierry Lang, Daniel Perrin, Uli Scherer
2003 The Sadness of Yuki - Matthieu Michel & Uli Scherer (Universal Music)
2001 Traces - Wolfgang Puschnig, Uli Scherer (Emarcy Records/Universal Music)
1996 Extrajazz '95/96 (Extraplatte) // Track 13: The New One; Track 24: mmmmmmmmmmmmmmmm
*1994 Okipik - Matthieu Michel & Uli Scherer
1992 Fe & Males: Vienna Art Special (Amadeo)
1991 Lieber ein Saxophon - Ernst Jandl, Lauren Newton, Klaus Dickbauer, Bumi Fian, Mathias Rüegg (Extraplatte)
1989 ... and she answered - AM 4 (CD/LP; ECM Records)
1988 Two Songs For Another Lovely War - Wolfgang Puschnig, Christian Radovan, Wolfgang Reisinger, Heiri Kaenzig, Harry Sokal, Mathias Rüegg (LP; Ex Zed Records)
1988 VomVomZumZum - Ernst Jandl, Lauren Newton, Wolfgang Puschnig, Uli Scherer (Extraplatte)
1988 Blues for Brahms - Vienna Art Orchestra (Amadeo)
1986 Swiss Swing - Vienna Art Orchestra and Voices (LP; Extraplatte)Tonträger mit seinen Werken
1995 Latter Day - Art of Brass Vienna (Atemmusik Records) // Track 2: Seven Seasons Of Nothing, But .. Part I; Track 3: Imaginary Love Letters No. 9; Track 4: Seven Seasons Of Nothing, But ... Part II; Track 8: Seven Seasons Of Nothing, But ... Part III; Track 9: Blue Box (Blue Version)als Gast-, Studiomusiker
2009 Wölflisches Gejandel einer bayerischen Schwittersmutter - Wolfram Berger (ORF)
1995 Latter Day - Art of Brass Vienna (Atemmusik Records)- Literatur
mica-Archiv: Uli Scherer
1997 Günther, Bernhard (Hg.): SCHERER Uli. In: Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich: Komponisten und Komponistinnen des 20. Jahrhunderts. Wien: Music Information Center Austria, S. 951–952.
2013 Felber, Andreas: Protagonisten des österreichischen Jazz nach 2000. In: mica-Musikmagazin.
2018 Uli Scherer gestorben. In: mica-Musikmagazin.
2018 Rüegg, Mathias: Uli Scherer, 26.3. 1953 – 28.11. 2018, abgerufen am 20.05.2025 [https://www.mathiasrueegg.com/blogs-3/blog-21.12.20].- Quellen/Links
SR-Archiv: Uli Scherer
Wikipedia: Uli Scherer
Oesterreichisches Musiklexikon online: Scherer, Uli (Ulrich)
IMDb: Uli Scherer- Accordion title
https://www.mathiasrueegg.com/blogs-3/blog-21.12.20
https://www.mathiasrueegg.com/_files/ugd/3af7e9_ac220e76123b409791191f2de6a240d0.pdf
https://open.spotify.com/album/4y8EkH0NmWaX0YkinAypNJ
https://open.spotify.com/album/5XMYx5ls5BdPduaLAlUoU5
https://open.spotify.com/album/4oC5SqPgryA6grxXP4QKgF
https://portal.dnb.de/opac/showFullRecord?currentResultId=%22134510097%22%26any¤tPosition=1
https://portal.dnb.de/opac/showFullRecord?currentResultId=%22134510097%22%26any¤tPosition=3
https://portal.dnb.de/opac/showFullRecord?currentResultId=%22134510097%22%26any¤tPosition=4
https://sra.at/record/11996 - Gastmusiker
https://sra.at/record/21501 - Gastmusiker
https://sra.at/record/3463 - Gastmusiker
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 20. 5. 2025): Biografie Ulrich Scherer. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/71198 (Abrufdatum: 21. 5. 2025).